4.1.1 Rechtsgrundlagen
In der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) sind genaue Bestimmungen zu Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten enthalten, wonach insbesondere die Zulassung von nachträglichen Änderungen (unabhängig davon, ob es um Tatsachen, Einwände, Beweismittel oder Anträge geht) ausdrücklich in das Ermessen der Kammer gestellt wird. Im Jahr 2019 wurden umfangreiche Änderungen in der VOBK vorgenommen, die am 1. Januar 2020 in Kraftgetreten sind (auf diese Fassung wird im folgenden als "VOBK 2020", veröffentlicht im ABl. 2019, A63 und erneut veröffentlicht im ABl. 2021, A35 mit Art. 15a VOBK 2020, Bezug genommen; allgemein zur Verfahrensordnung siehe auch Kapitel V.A.1.2.; zu den Übergangsbestimmungen, siehe die Kapitel V.A.4.3.2, V.A.4.4.2 und V.A.4.5.2).
Gemäß Art. 12 (2), (4) VOBK 2020 steht es im Ermessen der Kammern, eine Änderung des erstinstanzlichen Vorbringens eines Beteiligten nicht zuzulassen, genauer Beschwerdevorbringen nicht zuzulassen, das nicht auf die Anträge, Tatsachen, Einwände, Argumente und Beweismittel gerichtet ist, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegen, und für das der Beteiligte auch nicht gezeigt hat, dass es im erstinstanzlichen Verfahren in zulässiger Weise vorgebracht und aufrechterhalten wurde. Ähnlich wie vorher Art. 12 (4) VOBK 2007 nennt Art. 12 (6) VOBK 2020 zudem ausdrücklich die Befugnis der Kammern, Anträge, Tatsachen, Einwände oder Beweismittel nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren nicht zugelassen worden sind (Satz 1) oder die dort vorzubringen gewesen wären oder dort nicht mehr aufrecht erhalten wurden (Satz 2). Dieses Vorbringen ist nicht zuzulassen, es sei denn die erstinstanzliche Nichtzulassungsentscheidung war ermessensfehlerhaft oder die Umstände der Beschwerdesache rechtfertigen eine Zulassung. Für Einzelheiten zu diesen Vorschriften und ihre Auslegung durch die Rechtsprechung, siehe Kapitel V.A.4.3. "Erste Stufe des Konvergenzansatzes – Vorbringen in der Beschwerdebegründung und Erwiderung – Artikel 12 (3) bis (6) VOBK 2020".
Gemäß Art. 13 (1) VOBK 2020 steht die Zulassung von Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung im Ermessen der Kammer. Die Ermessenskriterien lehnen sich an die Kriterien aus Art. 13(1) VOBK 2007 an und kodifizieren die zu dieser Bestimmung ergangene Rechtsprechung (s. z. B. T 634/16, T 700/15). Die Rechtsprechung zu Art. 13 (1) VOBK 2020 wird in Kapitel V.A.4.4. "Zweite Stufe des Konvergenzansatzes – Vorbringen nach Einreichung der Beschwerdebegründung oder Erwiderung – Artikel 13 (1) VOBK 2020" dargestellt.
Gemäß Art. 13 (2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten in einem vorgerückten Verfahrensstadium (nämlich nach Ablauf einer von der Kammer in einer Mitteilung nach R. 100 (2) EPÜ bestimmten Frist oder nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung) grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen. Die Rechtsprechung zu Art. 13 (2) VOBK 2020 wird in Kapitel V.A.4.5. "Dritte Stufe des Konvergenzansatzes – Vorbringen nach Zustellung der Ladung oder Ablauf der in einer Regel 100 (2) EPÜ-Mitteilung gesetzten Frist – Artikel 13 (2) VOBK 2020" dargestellt.
Die gerade genannten Bestimmungen implementieren den Konvergenzansatz, wonach die Beteiligten mit zunehmendem Fortschreiten des Beschwerdeverfahrens immer weniger Möglichkeiten zur Änderung ihres Vorbringens erhalten (siehe z. B. T 1370/15, T 2778/17 und die Erläuterungen im vorbereitenden Dokument CA/3/19, Abschnitt V.B.a), Nr. 48, veröffentlicht in der Zusatzpublikation 2, ABl. 2020). Diese Bestimmungen sind, wenn die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt sind, kumulativ anwendbar. Siehe das nachfolgende Kapitel V.A.4.1.2 "Vorrangiges Ziel des Beschwerdeverfahrens und Konvergenzansatz hinsichtlich Änderungen des Beteiligtenvorbringens".
Die Beteiligten müssen ihre Änderungen kennzeichnen, rechtfertigende Gründe für die Änderungen angeben und Gründe dafür, weshalb sie diese erst in der betreffenden Phase des Verfahrens einreichen (Art. 12 (4), 13 (1) VOBK 2020).