C. Einspruchsverfahren
Overview
2.Einspruchseinlegung und Zulässigkeitsvoraussetzungen
3.Materiellrechtliche Prüfung des Einspruchs
4.Verspätetes Vorbringen neuer Dokumente, Angriffszüge und Argumente
5.Änderungen der Ansprüche, der Beschreibung und der Zeichnungen im Einspruchsverfahren
6.Rechtliches Gehör im Einspruchsverfahren
8.Entscheidungen der Einspruchsabteilung
- T 809/21
Catchword:
In a case where the patent is not opposed in its entirety, the opposition being directed at certain claims only, and where the Opposition Division decides that all of the proprietor's requests in relation to the opposed claims must fail, only the unopposed claims, which are not part of any opposition proceedings, are left standing. Hence, provided the requirements of Rule 82(1) EPC are met (either during oral proceedings or, in a written procedure, by means of a separate communication), the patent may be maintained on the basis of the unopposed claims, irrespective of whether the proprietor has filed an explicit request for this during the proceedings. Such a request would, in fact, be superfluous, since the unopposed claims have been granted and are not the subject of any opposition. The unopposed claims of the granted patent are therefore always available to the proprietor as the minimum basis on which the patent may be maintained (Reasons, point 5.2).
- T 1617/20
Catchword:
Prima facie allowability under Article 123(2) EPC of a late filed amended claim request may be a valid criterion to be used by the opposition division when deciding on the admittance of this claim request. However, using this criterion, to object for the first time at oral proceedings to a feature of the late-filed claim request that was already present in higher ranking claim requests and had never been objected to before, not even when deciding on the allowability or admittance of those higher-ranking claim requests, goes against the principles of fairness and good faith (see point 2.6.11 of the reasons).
- T 2391/18
Catchword:
On the application of Rule 80 EPC and the findings of the Enlarged Board of Appeal in G 3/14 in case of an alleged discrepancy between the description and a feature stemming from a granted claim, see point 4.
- T 2120/18
Catchword:
1. An opposition division's rejection of a request for extension of the time limit indicated in its communication under Rule 79(1) EPC does not terminate the opposition proceedings. Therefore, a patent proprietor is in a position to respond to the notice of opposition beyond the expired time limit or, at least, request the rejection of the opposition as well as oral proceedings. The patent proprietor must anticipate that an opposition division may issue its decision after expiration of the time limit (see Reasons 4.5, 4.6 and 4.9).
2. There is no legal basis for a duty on the part of the opposition division to notify the patent proprietor in advance of its intention to reach a decision, even if that decision concerns the revocation of the patent (see Reasons 4.8, 4.10 and 4.11).
3. If a patent proprietor chooses not to file any submissions during the opposition proceedings but to present them only with its statement of grounds of appeal, this amounts to bringing an entirely fresh case in appeal proceedings. This is at odds with the primary object of the appeal proceedings to review the decision under appeal in a judicial manner. Consequently, a board has the discretion under Article 12(4) RPBA 2007 not to admit the patent proprietor's defence submissions into the appeal proceedings. This does, however, not necessarily lead to revocation of the patent. The decision under appeal is still to be reviewed by the board, which might overturn the impugned decision, for example if it is not convinced by the reasons given by the opposition division or in the event of a substantial procedural violation (see Reasons 5.5 and 5.6).
- T 1776/18
Catchword:
1.) Article 114(2) EPC provides a legal basis for disregarding claim requests which are not submitted in due time (Reasons 4.5.1-4.5.11). 2.) A claim request which is filed in opposition proceedings after the date set under Rule 116(1) EPC is not submitted in due time within the meaning of Article 114(2) EPC (Reasons 4.6.1-4.6.10). 3.) Rule 116(2) EPC does not limit the Opposition Division's discretionary power under Article 114(2) EPC and Rule 116(1) EPC. As a rule, this discretionary power does not depend on the contents of the Opposition Division's communication under Rule 116(1) EPC. However, if the Opposition Division invites the patent proprietor to file an amended claim request to address a specific objection and the patent proprietor complies with this invitation by filing the required amendments by the date set under Rule 116(1) EPC, the Opposition Division's discretion not to admit that claim request may effectively be reduced to zero (Reasons 4.7.1-4.7.8).
- T 960/15
Catchword:
The Boards of Appeal may review discretionary decisions. There are, however, limits on the extent of review that reflect the discretion accorded to the deciding body. In the present case, the Opposition Division decided to consider document D8 and the review of this decision is a primary object of the appeal proceedings (Article 12(2) RPBA 2020) - see Reasons 1 - 9.- T 431/22
Zusammenfassung
In T 431/22 war die Beschwerdeführerin (Einsprechende) der Ansicht, der Hauptantrag erfülle nicht die Erfordernisse der R. 80 EPÜ, da der erteilte unabhängige Anspruch 1 im Einspruchsverfahren durch mehrere unabhängige Ansprüche ersetzt worden sei.
Nach R. 80 EPÜ können die Beschreibung, die Ansprüche und die Zeichnungen geändert werden, soweit die Änderungen durch einen Einspruchsgrund nach Art. 100 EPÜ veranlasst sind.
Die Kammer folgte im Wesentlichen den Erwägungen der Entscheidung T 263/05, insbesondere dem Ansatz, dass die Vereinbarkeit mit R. 80 EPÜ einer Beurteilung im konkreten Einzelfall bedarf und nicht pauschal zu beantworten ist.
Die Kammer vermochte aus R. 80 EPÜ keine Vorgaben dafür ableiten, auf welche Art und Weise bzw. mittels welcher Änderungen ein Patentinhaber einen Einspruchsgrund zu überwinden habe. Als "veranlasst" im Sinne von R. 80 EPÜ könnten Änderungen angesehen werden, die notwendig und zweckmäßig seien, einen Einspruchsgrund auszuräumen. Betreffe der Einspruchsgrund einen unabhängigen Anspruch, so stehe R. 80 EPÜ Änderungen nicht entgegen, wodurch dieser Anspruch durch zwei oder mehrere unabhängige Ansprüche ersetzt werde, sofern deren Gegenstand im Vergleich zum erteilten Anspruch eingeschränkt oder geändert sei. Es erschien der Kammer legitim, dass ein Patentinhaber zum Überwinden eines Einspruchsgrunds versucht, Teilbereiche des erteilten unabhängigen Anspruchs gegebenenfalls mittels zweier oder mehrerer unabhängiger Ansprüche abzudecken. Nach Auffassung der Kammer dürfte eine Grenze allerdings dann zu ziehen sein, wenn ein solches Vorgehen des Ersetzens eines unabhängigen Anspruchs als Versuch der Fortführung des Erteilungsverfahrens oder sonst verfahrensmissbräuchlich erscheine.
Vorliegend war der gegen das Streitpatent eingelegte Einspruch mit mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit insbesondere der jeweiligen Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 14 begründet worden. Die Beschwerdegegnerin hatte auf diese Einspruchsgründe, sowie auf weitere zwischenzeitlich erhobene Einwände, mit dem Anspruchssatz des Hauptantrags reagiert, in dem der erteilte unabhängige Anspruch 1 durch die unabhängigen Ansprüche 1, 2, 3 und 4 ersetzt und der erteilte unabhängige Anspruch 14 gestrichen wurde. Die Kammer hielt fest, dass jeder dieser vier unabhängigen Ansprüche im Vergleich zum erteilten Anspruch 1 weitere beschränkende Merkmale enthielt. Diese vier Ansprüche stellten im Wesentlichen Kombinationen aus dem erteilten unabhängigen Anspruch 1 mit von diesem abhängigen Ansprüchen dar, wobei der aus der Beschreibung stammende Zusatz in Anspruch 3 das aus dem erteilten Anspruch 8 stammende Merkmal näher definierte. Einen Verfahrensmissbrauch hatte die Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht und vermochte die Kammer nicht zu erkennen.
Damit waren die Änderungen gemäß R. 80 EPÜ aus Sicht der Kammer nicht zu beanstanden.
- T 2274/22
Zusammenfassung
In T 2274/22 war ein Mitglied der Öffentlichkeit von Einsprechenden-Seite (Herr T.) vor Eröffnung der mündlichen Verhandlung unbeabsichtigt dem virtuellen Dolmetscher-Besprechungsraum zugeordnet worden, wo er mehr als 10 Minuten mithörte, bevor er die anderen Besprechungsteilnehmer darüber in Kenntnis setzte und ausgeschlossen wurde. Während dieser Zeit kommunizierte Herr T. dem zugelassenen Vertreter der Einsprechenden und seinem Kollegen Details aus dem mitgehörten Inhalt der Vorbesprechung. Kurz nach Eröffnung der mündlichen Verhandlung legte der Vertreter der Einsprechenden den obigen Vorfall offen. Die Patentinhaberin befürchtete eine Benachteiligung und sprach dabei eine Neubesetzung der Einspruchsabteilung an. Die Einsprechende stellte daraufhin mit einem Kurzprotokoll die erhaltenen Informationen schriftlich zur Verfügung. Die Patentinhaberin war der Auffassung, diese gingen entgegen der Aussage des Vorsitzenden über den Inhalt des Ladungszusatzes hinaus, und beantragte schriftlich die Ablehnung der Einspruchsabteilung wegen Besorgnis der Befangenheit.
Zur Frage, ob ein schwerwiegender Verfahrensfehler im Vorfeld der mündlichen Verhandlung begangen wurde, erläuterte die Kammer, die Anwesenheit einer Partei in einer Vorbesprechung zwischen einem oder mehreren Mitgliedern einer Einspruchsabteilung und den Dolmetschern stelle grundsätzlich einen Verfahrensfehler dar, unabhängig davon, ob dieser durch einen technischen oder menschlichen Fehler verursacht geworden sei. Ein solcher Verfahrensfehler müsse aber nicht zwangsläufig in einen schwerwiegenden münden. Vielmehr könne er dadurch geheilt werden, dass die abwesende Partei vor Eröffnung der sachlichen Debatte auf den gleichen Kenntnisstand wie die anwesende gebracht werde.
Nach Ansicht der Kammer konnte allein die Anwesenheit von Herrn T. beim Dolmetscher-Briefing auch keine Besorgnis der Befangenheit der Einspruchsabteilung begründen. Denn, da die Zuschaltung eines Parteivertreters in den virtuellen Besprechungsraum vorliegend unstreitig versehentlich erfolgt sei, und die Einspruchsabteilung sie umgehend beendet habe, sobald sie ihrer gewahr wurde, bestehe objektiv kein Verdacht, die Einspruchsabteilung habe hier willentlich für eine Bevorzugung der Einsprechenden gesorgt oder diese billigend in Kauf genommen. Jedoch sei die Tatsache, dass die Einspruchsabteilung den Vorfall nicht von sich aus angesprochen und der Patentinhaberin mitgeteilt habe, dazu geeignet, bei der Patentinhaberin den Eindruck einer Parteilichkeit zu erwecken. Dass die Einspruchsabteilung sich zudem auch nach Intervention der Einsprechenden, die ausdrücklich auf einen möglichen Verfahrensfehler hingewiesen hatte, nicht aktiv an der Aufklärung des Vorfalls beteiligte, sondern den Vorschlag der Einsprechenden, eine schriftliche Zusammenfassung einzureichen, abwartete und diesem lediglich zustimmte, könne einen solchen Eindruck noch verstärken. Dass eine inhaltliche Auseinandersetzung der Einspruchsabteilung mit dem Kurzprotokoll ausgeblieben sei, stelle aus Sicht eines objektiven Beobachters einen weiteren Umstand dar, der zum Anschein ihrer Befangenheit beitrage.
Die Kammer rief in Erinnerung, dass Besorgnis der Befangenheit bereits dann gegeben ist, wenn objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, auch wenn andere Tatsachen dagegensprechen mögen. Vorliegend war nach Ansicht der Kammer eine Befangenheit der Einspruchsabteilung objektiv zu besorgen, da diese keine der aufgetretenen Gelegenheiten ergriffen hatte, die Patentinhaberin selbst über den Vorfall zu informieren und selbst zu dessen Aufklärung beizutragen. Daher hätte dem Antrag der Patentinhaberin auf Ablehnung ihrer Mitglieder analog zu Art. 24(3) EPÜ stattgegeben und die Einspruchsabteilung neu besetzt werden müssen.
Die Kammer kam zu dem Schluss, dass die angefochtene Entscheidung nicht von der Einspruchsabteilung in ihrer ursprünglichen Besetzung hätte getroffen werden dürfen. Dass dies dennoch geschah, stelle einen schwerwiegenden Verfahrensmangel dar, der zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Falls an eine neu zu besetzende Einspruchsabteilung führe. Darauf wie groß der ursprüngliche Fehler war, komme es in der Regel nicht an, wenn er letztlich ursächlich für einen wesentlichen Verfahrensmangel gewesen sei. Entscheidend sei allein, dass der aus ihm resultierende Verfahrensmangel als so schwerwiegend eingestuft wird, dass er zu einer Zurückverweisung führt. Dies sei vorliegend der Fall. Die Kammer wies zuletzt darauf hin, dass wegen der räumlichen Distanz und nur mittelbaren Präsenz in einer Videokonferenz, hier ein "schlechter Eindruck" zudem schneller entstehen könne und somit auch die Schwelle sinke, ab der eine Befangenheit befürchtet werden könne. Daher seien an eine ordnungsgemäße Verhandlungsführung und insbesondere den Umgang mit technischen Pannen hohe Maßstäbe anzulegen.
- Sammlung 2023 “Abstracts of decisions”
- Jahresbericht: Rechtsprechung 2022
- Zusammenfassungen der Entscheidungen in der Verfahrensprache