4.2. Offensichtlichkeit des Fehlers und der Berichtigung
Was der Fachmann den die Offenbarung betreffenden Teilen einer europäischen Patentanmeldung am Anmeldetag entnehmen konnte, ist vor einer Berichtigung nach R. 139, Satz 2 EPÜ zu ermitteln. Andere Unterlagen als Beschreibung, Patentansprüche und Zeichnungen können infolge des Erweiterungsverbots nach Art. 123 (2) EPÜ nur insoweit herangezogen werden, als sie geeignet sind, das am Anmeldetag bestehende allgemeine Fachwissen zu belegen. Andere Unterlagen, insbesondere Prioritätsdokumente und die Zusammenfassung, dürften selbst dann nicht zu einer Berichtigung herangezogen werden, wenn sie zusammen mit der europäischen Patentanmeldung eingereicht worden seien. Der Inhalt eines Dokuments, das nicht zu den die Offenbarung betreffenden Teilen einer europäischen Patentanmeldung gehöre, könne unter Umständen durch Verweisung teilweise oder vollständig in die Offenbarung einbezogen werden. Der Nachweis dessen, was am Anmeldetag allgemeines Fachwissen gewesen sei, könne mit jedem geeigneten Beweismittel erbracht werden (G 3/89 und G 11/91).
In T 1008/99 vertrat die Kammer die Ansicht, dass bei Anwendung der R. 88 EPÜ 1973 der Fehler aus der Teilanmeldung selbst erkennbar sein müsse und die Stammanmeldung nicht verwendet werden könne, um die Offensichtlichkeit des Fehlers zu beweisen. Selbst wenn der eingereichten Beschreibung, den Ansprüchen und den Zeichnungen eindeutig zu entnehmen war, dass sie nicht zusammengehörten, sei aus der Teilanmeldung selbst nicht erkennbar gewesen, welche der Teile fehlerhaft waren.
In T 2058/18 entschied die Kammer, dass die Offenbarung eines Familienmitglieds eines in einer Anmeldung angeführten Dokuments nicht dazu verwendet werden könne, Zweifel hinsichtlich der Bedeutung von mehrdeutigen Teilen der Anmeldung auszuräumen.