4.3.7 Vorbringen, das im erstinstanzlichen Verfahren vorzubringen gewesen wäre oder dort nicht mehr aufrechterhalten wurde – Artikel 12 (6) Satz 2 VOBK 2020
Dieser Abschnitt wurde aktualisiert, um die Rechtsprechung und Gesetzänderungen bis 31. Dezember 2023 zu berücksichtigen. Die vorherige Version dieses Abschnitts finden Sie in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern", 10. Auflage (PDF). |
(i) Beispiele für die Zulassung eines neuen Vorbringens
In T 1734/20 beruhte die Entscheidung der Einspruchsabteilung auf einer Fehldeutung von Daten in einem vom Beschwerdeführer (Einsprechenden) vorgelegten Versuchsbericht. Dies bemerkte der Beschwerdeführer erst nach Ergehen der schriftlichen Entscheidung und reichte zusammen mit seiner Beschwerdebegründung einen neuen Bericht ein, der abgesehen von einer Zusatzinformation, durch die die Fehldeutung vermieden werden sollte, die identischen Daten enthielt. Diese Umstände rechtfertigten nach Auffassung der Kammer eine Zulassung zum Verfahren nach Art. 12 (6) VOBK 2020.
In T 2043/20 entschied die Kammer unter Berufung auf Art. 12 (6) Satz 2 VOBK 2020, dass der dritte Hilfsantrag im Beschwerdeverfahren, der auf dem zweiten Hilfsantrag im Verfahren vor der Prüfungsabteilung basierte, in dem jedoch bestimmte Ansprüche gestrichen worden waren, eine Reaktion auf einen Einwand nach R. 43 (2) EPÜ war. Sie befand aber auch, dass dieser Antrag vor der Prüfungsabteilung hätte eingereicht werden können, da der Einwand bereits in der Anlage zur Ladung vorhanden war. Da der neue Antrag jedoch den Einwand nach R. 43 (2) EPÜ ausräumte und keine komplexe Änderung darstellte, ließ ihn die Kammer zum Verfahren zu.
(ii) Gegenbeispiele
In T 1522/21 entsprach der strittige Anspruch 1 dem erteilten Anspruch 1. Aus diesem Grund gab es nach Auffassung der Kammer keine Umstände, unter denen die Zulassung neuer, verspätet eingereichter Beweismittel (D1 und O9) gegen diesen Anspruch gerechtfertigt wäre. Sie erachtete die Prima-facie-Relevanz der neuen Beweismittel nicht für einen zu berücksichtigenden Aspekt.
Auch in T 765/20 entschied die Kammer, dass es auf eine mögliche Prima-facie-Relevanz nicht ankomme, und ließ ein erst mit der Beschwerdebegründung vorgelegtes Dokument nicht zu. Dagegen befand die Kammer in T 1017/20, dass in der vorliegenden, konkreten Situation die Tatsache, dass der Hauptantrag im Beschwerdeverfahren prima facie dem Art. 100 b) EPÜ genügte, Teil der bei Anwendung des Art. 12 (6) VOBK 2020 zu berücksichtigenden Umstände der Beschwerdesache war.
Ein weiteres Beispiel für eine Entscheidung, in der die Kammer verneinte, dass die Umstände der Beschwerdesache die Zulassung einer Änderung des Vorbringens des Beschwerdeführers rechtfertigten, ist T 608/20. Ein Beispiel, in dem die Kammer befand, dass der Beschwerdeführer keinerlei rechtfertigende Umstände vorgebracht hatte, liefert T 1094/22.