3.1.5 Ausdrückliche oder implizite Offenbarung der Erfindungsmerkmale im Prioritätsdokument
In T 1052/93 bestand ein Merkmal der im europäischen Patent beanspruchten Waschzusatzprodukte darin, dass sie Natriumperborat in Monohydratform in Verbindung mit einem funktionell definierten Aktivator enthielten. In der Prioritätsunterlage seien nur bestimmte Aktivatoren genannt, die der funktionellen Definition im europäischen Patent entsprächen; diese spezifischen Verbindungen könnten nicht als Offenbarung der im Anspruch 1 des europäischen Patents funktionell definierten umfassenden Gruppe von Aktivatoren angesehen werden. S. auch T 132/09.
In T 277/95 entschied die Kammer, dass der Anspruch auf ein Verfahren zur Produktion von EPO in CHO-Zellen, das durch ein spezifisches Glykosylierungsmuster gekennzeichnet ist, nicht das Prioritätsrecht einer Voranmeldung genieße, die die Zelllinie offenbarte, aber keine Informationen zum spezifischen Glykosylierungsmuster enthielt. S. auch T 479/97.
In T 908/09 erklärte die Kammer, das Prioritätsdokument ordne die im erteilten Anspruch 1 als Komponenten b) genannten Verbindungsklassen nicht eindeutig einer Gruppe zu. Daher könne der Fachmann dem Prioritätsdokument nicht direkt und unmittelbar entnehmen, wenigstens eine Verbindung a) mit wenigstens einer Verbindung b) zu mischen, wie es in Anspruch 1 beschrieben sei.
Siehe auch T 379/13 und T 1487/16.
In T 521/10 war die ausführbare Offenbarung für die Ausführungsform des Anspruchs 1 auf den Inhalt von Patentanmeldungen gestützt, die durch Verweis einbezogen waren. Der Verweis auf eine dieser Anmeldungen (D9) war in der Prioritätsunterlage nicht enthalten. D9 wurde erst nach dem beanspruchten Prioritätstag eingereicht. Soweit der Gegenstand des Anspruchs 1 auf der Offenbarung von D9 basierte, war deshalb die Priorität nicht wirksam beansprucht. Da die Anmeldung D9 vor dem Anmeldetag veröffentlicht wurde, stellte sie einschlägigen Stand der Technik dar. S. auch die Zusammenfassung dieser Entscheidung in Kapitel II.C.4.2.
In T 846/10 hatte die US-Prioritätsanmeldung P1 (mit dem Formblatt PTO/SB/01 (12-97)) gemäß 35 U.S.C. 119 e) die beiden vorläufigen Anmeldungen P2 und P3 beansprucht. Die Kammer wies das Argument des Beschwerdeführers zurück, dass deren Inhalt somit durch Verweis in die Offenbarung von P1 einbezogen sei; in P1 selbst wurde eine "Einbeziehung durch Verweis" oder eine gleichwertige Formulierung nicht erwähnt.