3.1. Bindung an die Anträge – Verbot der "reformatio in peius"
Overview
In den Verfahren G 9/92 date: 1994-07-14 und G 4/93 (ABl. 1994, 875) wurde in der Vorlage an die Große Beschwerdekammer die Frage aufgeworfen, ob und inwieweit die Beschwerdekammer zu Lasten des Beschwerdeführers im Einspruchsbeschwerdeverfahren von dem Beschwerdeantrag abweichen kann.
Die Große Beschwerdekammer berücksichtigte verschiedene Faktoren. Die Beschwerde ziele auf die Beseitigung der "Beschwer". Da die Einlegung einer Beschwerde befristet sei, wäre es mit dieser Regelung nicht vereinbar, dem nicht beschwerdeführenden Beteiligten das unbeschränkte Recht einzuräumen, das Verfahren durch eigene Anträge ohne zeitliche Grenze in eine andere Richtung zu lenken. Die nicht beschwerdeführende Partei habe als Beschwerdegegnerin die Möglichkeit, all das, was sie für die Verteidigung des vor der ersten Instanz erzielten Ergebnisses für notwendig und zweckmäßig halte, im Beschwerdeverfahren vorzubringen.
Die Große Beschwerdekammer entschied somit wie folgt:
1. Ist der Patentinhaber der alleinige Beschwerdeführer gegen eine Zwischenentscheidung über die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang, so kann weder die Beschwerdekammer noch der nicht beschwerdeführende Einsprechende als Beteiligter nach Art. 107 Satz 2 EPÜ 1973 die Fassung des Patents gemäß der Zwischenentscheidung in Frage stellen.
2. Ist der Einsprechende der alleinige Beschwerdeführer gegen eine Zwischenentscheidung über die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang, so ist der Patentinhaber primär darauf beschränkt, das Patent in der Fassung zu verteidigen, die die Einspruchsabteilung ihrer Zwischenentscheidung zugrunde gelegt hat. Änderungen, die der Patentinhaber als Beteiligter nach Art. 107 Satz 2 EPÜ 1973 vorschlägt, können von der Beschwerdekammer abgelehnt werden, wenn sie weder sachdienlich noch erforderlich sind.
Angesichts der Rechtsunsicherheit, die durch die uneinheitliche Rechtsprechung der Beschwerdekammern zum Verschlechterungsverbot im Rahmen der Anwendung oder Auslegung der Entscheidung G 9/92 date: 1994-07-14 (ABl. 1994, 875) entstanden ist, wurde der Großen Beschwerdekammer eine weitere Rechtsfrage vorgelegt, die sie in G 1/99 (ABl. 2001, 381) beantwortete. S. dieses Kapitel V.A.3.1.7.
- T 727/19
Catchword:
1. The Guidelines, Part E, Chapter XI, set out the procedure whereby the reasons of a responsible superior's decision rejecting a challenge to the impartiality of a division can be appealed. This procedure does not make the responsible superior's decision formally appealable (Reasons 2.3 and 2.4).
2. The unexplained omission of the reasons of the responsible superior's decision from the final decision of the division justifies the suspicion of partiality and constitutes a substantial procedural violation (Reasons 2.9 and 2.15).
3. The principle of the prohibition of "reformatio in peius" is not applicable where a case is to be remitted to a division in a new composition because of a suspicion of partiality (Reasons 5.5 and 5.6).
- T 882/17
Catchword:
If the opponent is the sole appellant against an interlocutory decision maintaining a patent in amended form, an objection related to the inadmissibility of the opposition is subject to the principle of the prohibition of reformatio in peius. In such a procedural situation, the Board is prohibited from ordering the maintenance of the patent as granted due to the inadmissibility of the opposition (Reasons 3.19).
- T 803/17
Catchword:
The yardstick for determining whether the position of an appellant is, because of its own appeal, worsened in a way which is incompatible with the principle of the prohibition of reformatio in peius is the order of the decision under appeal, in particular the order's legal effect on the appellant. If an opposition is considered inadmissible in the appeal proceedings, an appellant whose opposition was rejected in the decision under appeal as unallowable would not be in a worse position than if it had not appealed, as in both cases the patent would be maintained as granted. The legal reasons leading to this result, including whether the opposition is rejected as inadmissible or unallowable, do not fall within the scope of the principle of the prohibition of reformatio in peius (Reasons 3.5).
- Sammlung 2023 “Abstracts of decisions”
- Jahresbericht: Rechtsprechung 2022
- Zusammenfassungen der Entscheidungen in der Verfahrensprache