5. Verbot der Doppelpatentierung
Nach Ansicht der Kammer in T 936/04 ist "Doppelschutz" kein Einspruchsgrund. Es liegt jedoch im Ermessen der Instanzen des EPA, diesen Einwand in Einspruchs- oder Einspruchsbeschwerdeverfahren gegen vorgeschlagene geänderte Ansprüche zu erheben, allerdings sollte dies nur in eindeutigen Fällen geschehen. Mit dem Grundsatz des Doppelschutzverbots soll unnötige Doppelarbeit vermieden und nicht den Instanzen des EPA die Verpflichtung auferlegt werden, einen umfassenden Vergleich zwischen der ihnen vorliegenden Sache und den möglicherweise in einem anderen Verfahren gewährten Patentansprüchen anzustellen. Im vorliegenden Fall war zum Zeitpunkt der Entscheidung durch die Einspruchsabteilung noch kein Patent auf die Teilanmeldung erteilt worden und nur aus diesem Grund hatte die Einspruchsabteilung zu Recht den vor ihr erhobenen Einwand des Doppelschutzes außer Acht gelassen. Es hätte zu diesem Zeitpunkt allein der Prüfungsabteilung oblegen, in dem vor ihr anhängigen Verfahren zu der Teilanmeldung einen Doppelschutz zu vermeiden, indem sie bereits im Stammpatent erteilte Ansprüche nicht erneut gewährt.
In T 98/19 beantragten die Beschwerdeführer (Einsprechenden), dass die Kammer die Frage der Doppelpatentierung von Amts wegen prüfen solle. Die Kammer kam diesen Antrag nicht nach. Sie hielt fest, dass Doppelpatentierung im Einklang mit T 936/04 keinen Einspruchsgrund darstellt. Im vorliegenden Fall war das Streitpatent im Einspruchsverfahren nicht geändert worden.
In G 4/19 (ABl. 2022, A24) befand die Große Beschwerdekammer, dass der Verweis auf Art. 97 (2) EPÜ in der ersten Vorlagefrage klarmacht, dass diese Frage auf die Anwendbarkeit des Verbots bei der Sachprüfung nach Art. 94 EPÜ vor der Prüfungsabteilung beschränkt ist.