6.3. Entdeckungen, wissenschaftliche Theorien und mathematische Methoden
Dieser Abschnitt wurde aktualisiert, um die Rechtsprechung und Gesetzänderungen bis 31. Dezember 2023 zu berücksichtigen. Die vorherige Version dieses Abschnitts finden Sie in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern", 10. Auflage (PDF). |
Wird eine neue Eigenschaft eines bekannten Materials oder Erzeugnisses festgestellt, so handelt es sich lediglich um eine Entdeckung, die nicht patentierbar ist, weil eine Entdeckung als solche keine technische Wirkung hat und damit keine Erfindung im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ ist. Wird für diese Eigenschaft jedoch eine praktische Verwertung gefunden, so handelt es sich um eine Erfindung, die möglicherweise patentierbar ist. Das Auffinden eines vorher unbekannten Stoffs in der Natur ist ebenfalls eine bloße Entdeckung und folglich nicht patentierbar. Kann aber nachgewiesen werden, dass ein in der Natur aufgefundener Stoff eine technische Wirkung aufweist, so könnte er patentierbar sein. Wenn entdeckt wird, dass ein in der Natur aufgefundener Mikroorganismus ein Antibiotikum erzeugt, könnte auch der Mikroorganismus selbst als ein Aspekt der Erfindung patentierbar sein. Ebenso könnte ein Gen, das in der Natur aufgefunden wird, patentierbar sein, wenn sich eine technische Wirkung dieses Gens herausstellt, z. B. seine Verwendung bei der Herstellung eines bestimmten Polypeptids oder in der Gentherapie (Richtlinien G‑II, 3.1 – Stand März 2024).
Wie in T 208/84 (ABl. 1987, 14) festgestellt wurde, bedeutet die Tatsache, dass die dem beanspruchten Gegenstand zugrunde liegende Idee in einer Entdeckung liegt, nicht zwangsläufig, dass der beanspruchte Gegenstand eine Entdeckung "als solche" ist (G 2/88, ABl. 1990, 93).
In T 1538/05 behauptete der Beschwerdeführer eine bislang unbekannte magnetische Kraft entdeckt zu haben, die allgemein anerkannte Theorien wie die Heisenbergsche Unschärferelation oder auch Einsteins Relativitätstheorie widerlege. Nach Ansicht der Kammer handelte es sich hierbei um wissenschaftliche Theorien bzw. die Entdeckung von Naturgesetzen, die sich von den anerkannten Theorien unterschieden. Die Kammer maße sich nicht an, zu beurteilen, ob diese physikalischen Theorien und Entdeckungen richtig seien oder nicht. Weder den Ansprüchen noch der Beschreibung oder den zahlreichen vom Beschwerdeführer übersandten Schreiben sei eine klare technische Lehre zu entnehmen. Für die Kammer stehe fest, dass der vom Beschwerdeführer beanspruchte Gegenstand nicht patentierbar sei, da der Beschwerdeführer nicht nachgewiesen habe, dass er technischer Art sei und dass die Erfindung auf Verfahren oder Vorrichtungen angewandt werden könne.
In T 2079/10 wurde die Erfindung in der Verbesserung der Messtechnik selbst gesehen, die technische Überlegungen zu den Sensoren und deren Positionierung einschloss. Im vorliegenden Fall spielten die Messungen selbst keine Rolle; die Verbesserung lag in der Verarbeitung der Daten mit dem Ziel, eine bessere Wettervorhersage bereitzustellen. Das Argument des Anmelders war im Wesentlichen, dass eine Verbesserung der Wetterdaten durch deren Berechnung und Weiterverarbeitung ebenfalls technisch sei. Nach Ansicht der Kammer führte dies zu der zentralen Frage in diesem Fall, nämlich ob die Verbesserung der Genauigkeit bestimmter Daten einer Wettervorhersage technisch ist. Ist sie das nicht, ändern daran auch die Einzelheiten des Algorithmus – die "Mathematik", wie die Abteilung es ausdrückte – nichts. Die Kammer verneinte den technischen Charakter. Das "Wetter" ist kein technisches System, das der Fachmann verbessern oder auch nur zu Verbesserungszwecken simulieren kann. Es ist ein physisches System, das zur Veranschaulichung seiner Funktionsweise modelliert werden kann. Bei dieser Art der Modellierung handelt es sich eher um eine Entdeckung oder eine wissenschaftliche Theorie, die beide nach Art. 52 (2) a) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind und somit nicht zum technischen Charakter der Erfindung beitragen können (s. auch T 2331/10).