1.6.1 Kombination von Merkmalen aus einzelnen Ausführungsformen; Anmeldung in der eingereichten Fassung ist kein "Reservoir"
In T 389/13 wurde die Zusammensetzung nach Anspruch 1 bei der Einreichung breit definiert, wobei die Definition einige strukturelle Merkmale sowie zwei Bereiche von parametrischen Werten umfasste. Im Rest der Anmeldung wurden für diese strukturellen Merkmale Präferenzen angegeben, sowie eine Definition von zusätzlichen Parametern, die zur Charakterisierung der Zusammensetzung verwendet werden könnten, nebst entsprechenden Wertebereichen. Später wurden einige auf die Präferenzen oder die zusätzlichen Parameter gestützte Beschränkungen und entsprechende Wertebereiche in den Anspruch aufgenommen. Die Kammer betonte, dass es unbillig gegenüber Dritten wäre, diese verschiedenen Beschränkungen zuzulassen, ohne dass die Anmeldung in der eingereichten Fassung irgendeinen – zumindest impliziten – Hinweis enthält, dass diese spezielle Zusammensetzung in Betracht gezogen wird. Einem Anmelder, der einen breiten, spekulativen Anspruch einreicht, entstünde daraus ein ungerechtfertigter Vorteil gegenüber anderen Anmeldern, die als Erste einer bestimmten, im Umfang des besagten breit gefassten ursprünglichen Anspruchs enthaltenen Kombination von Parametern und deren Wertebereichen eine Bedeutung beimessen.
Die Entscheidung T 770/90 brachte zum Ausdruck, dass ein zu breiter, von der ursprünglichen Beschreibung nicht gestützter Anspruch kein taugliches "Reservoir" für Änderungen ist.
Gemäß T 1120/05 können die ursprünglichen Zeichnungen nicht als Reservoir von Merkmalen gesehen werden, aus dem der Anmelder oder Patentinhaber bei der Änderung der Ansprüche schöpfen kann.
In T 296/96 stellte die Kammer fest, dass bei der Überlegung, ob ein Merkmal in einem Dokument offenbart sei, die Frage zu beantworten ist, ob der Fachmann die Kombination der verschiedenen in diesem Dokument aufgeführten Merkmale ernsthaft in Erwägung gezogen hätte. Dies war in der ursprünglich eingereichten Fassung nicht der Fall.
In T 2363/10 befand die Kammer, dass eine Auswahl von 6 der in 143 Unterpunkten offenbarten Merkmale eine bestimmte Auswahl darstellt, die als solche nicht offenbart war. Der Fachmann hatte keinen Hinweis oder Anreiz, genau diese Merkmalskombination auszuwählen. Die allgemeine Aussage, dass "jede Vorrichtung, jedes Mittel oder jedes Verfahren dieser Art die folgenden Merkmale aufweist bzw. aufweisen kann", änderte nichts an dieser Schlussfolgerung, weil eine Kombination aus ausgewählten Elementen nur dann als offenbart gilt, wenn zusätzliche Angaben vorliegen, die den Fachmann zur dieser Kombination hinführen.
Zu einem Fall, in dem der ursprüngliche unabhängige Anspruch mit Merkmalen aus einer Vielzahl abhängiger Ansprüche kombiniert wurde, die sich einzeln auf den unabhängigen Anspruch bezogen (Abhängigkeiten im US-Stil), s. T 1362/15, die in diesem Kapitel unter II.E.1.6.4 zusammengefasst ist.
Zu weiteren Fällen, die eine unzulässige Kombination von Merkmalen betrafen, s. z. B. T 659/97, T 1206/07, T 2044/07.