5.5.1 Mehrdeutige Parameter
Soweit Erfindungen durch Ansprüche definiert sind, die unklare Merkmale, wie z. B. unklare Parameter enthalten, die auch nicht durch die Beschreibung klargestellt werden, kann die Erfindung möglicherweise nur durch den zu erreichenden Effekt verstanden werden. Dieser Effekt, der somit berücksichtigt werden muss, wird dann unter Art. 83 EPÜ begutachtet, um die Ausführbarkeit der Erfindung zu beurteilen (T 862/11).
Laut der Entscheidung T 1845/14 (zwei widersprüchliche Definitionen eines Parameters) kann die mehrdeutige Definition eines Parameters in einem Anspruch dazu führen, dass der Anspruch breiter ist als vom Patentinhaber möglicherweise beabsichtigt. In einem solchen Fall stellt sich die Frage, ob die Lehre des Streitpatents, die sich auf den beanspruchten Gegenstand mit einer bestimmten Bedeutung dieses Parameters richtete (die jedoch ungenannt blieb), den Fachmann dennoch in die Lage versetzt hätte, unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens und mittels Durchführung von Versuchen im üblichen Umfang die Erfindung außerhalb des vom Patentinhaber beabsichtigten Schutzbereichs auszuführen.
In T 1845/14 stellte die Kammer fest, dass die Erfindung, deren ausreichende Offenbarung zu beurteilen ist, durch die in den Ansprüchen verwendeten Begriffe definiert wird, deren Bedeutung in Anbetracht der mehrdeutigen Definition des Parameters (CDBI) auszulegen ist. Gemäß den allgemeinen Auslegungsregeln für Patentansprüche ist den in einem Anspruch verwendeten Begriffen, wie etwa Parameterdefinitionen, in ihrem Kontext und unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens die breiteste technisch sinnvolle Bedeutung zuzuweisen. Bezüglich des CDBI gab es keinen Beweis dafür, dass dieser am Prioritäts- oder Anmeldetag des Streitpatents eine im Stand der Technik anerkannte Bedeutung hätte, und der Widerspruch zwischen den beiden in der Patentschrift enthaltenen Definitionen konnte nicht aufgelöst werden. Daher muss dieser Wortlaut so breit ausgelegt werden, dass er beide in der Patentschrift enthaltene Definitionen abdeckt. Die mehrdeutige Definition eines Parameters in einem Anspruch kann dann dazu führen, dass der Schutzbereich des Anspruchs breiter ist, als vom Patentinhaber möglicherweise beabsichtigt. Es war unbestritten, dass sich die gesamte Lehre in der Patentschrift nur auf eine in der Patentschrift enthaltene Definition von CDBI bezog. Die Lehre war zwar für eine der beiden Definitionen anerkanntermaßen ausreichend, doch gab der Patentinhaber nicht an, wie der Fachmann auf der Grundlage seines allgemeinen Fachwissens in der Lage gewesen wäre, die im Streitpatent enthaltene Lehre so zu ergänzen, dass er mit zumutbarem Aufwand Copolymere gemäß der zweiten Definition von CDBI herstellen konnte, die nicht zur Gruppe der Polymere gemäß der ersten Definition von CDBI gehörten. Es wurde nicht nachgewiesen, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar ist, und der Hauptantrag wurde zurückgewiesen (Art 100 b) EPÜ).
In T 482/09 (Viskosität) stellte die Kammer fest, dass die Verwendung eines unbestimmten Ausdrucks im Anspruch vielmehr im Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahren dazu führt, dass zum Zwecke der Prüfung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit der Stand der Technik im Umfang sämtlicher technisch sinnvollen Deutungsmöglichkeiten dieses Ausdrucks zu berücksichtigen ist, weil der Schutzbereich der Ansprüche durch diesen Begriff nicht abgrenzbar ist. Wenn einem solchen Ausdruck überhaupt keine konkrete Bedeutung zukommt, verliert er gegenüber dem in Betracht zu ziehenden Stand der Technik seine beschränkende Wirkung sogar gänzlich.