6. Vorbereitung der mündlichen Verhandlung
Nach R. 115 (1) Satz 2 EPÜ (R. 71 (1) Satz 2 EPÜ 1973) beträgt die Ladungsfrist zur mündlichen Verhandlung mindestens zwei Monate, sofern die Beteiligten nicht mit einer kürzeren Frist einverstanden sind. Art. 15 (1) Satz 1 VOBK 2020 lautet: "Unbeschadet der Regel 115 Absatz 1 EPÜ bemüht sich die Kammer, wenn eine mündliche Verhandlung vorgesehen ist, um eine Ladungsfrist von mindestens vier Monaten."
In J 14/91 (ABl. 1993, 479) hatte die Juristische Beschwerdekammer folgende Auffassung vertreten: Wenn einem Dritten die Berechtigung zur Einsichtnahme in die Anmeldungsunterlagen vor deren Veröffentlichung abgesprochen werde, müsse über diesen Streitpunkt zweckmäßigerweise in einer kurzfristig, d. h. noch vor Veröffentlichung der Anmeldung, anberaumten mündlichen Verhandlung entschieden werden, um den Bestimmungen des Art. 128 (2) EPÜ 1973 nicht jede Bedeutung zu nehmen. Wenn die Kammer der Ansicht sei, dass eine mündliche Verhandlung das Verfahren beschleunigte, so könne sie die Ladungsfrist nach R. 71 (1) EPÜ 1973 auch ohne Einverständnis des anderen Beteiligten verkürzen, vorausgesetzt, den Beteiligten bleibe genügend Zeit zur Vorbereitung. Die Juristische Beschwerdekammer verwies auf Art. 125 EPÜ 1973 und führte aus, sich aus den allgemein anerkannten Grundsätzen des Verfahrensrechts ergebe, dass in dringenden Fällen Fristen verkürzt werden könnten. Das Maß der Verkürzung habe sich am Einzelfall zu orientieren.
In T 111/95 wies die Kammer darauf hin, dass die Prüfungsabteilung nicht das Recht hatte, die mündliche Verhandlung auf einen nur rund zwei Wochen nach Absendung der Ladung liegenden Termin anzusetzen. Die Kammer stellte fest, dass aus der Akte nicht hervorgehe, dass der Vertreter des Anmelders den anberaumten Termin jemals uneingeschränkt akzeptiert habe. Die Beweislast dafür, dass eine kürzere Frist vereinbart worden sei, liege bei der Prüfungsabteilung. Die Kammer befand deshalb die Ladung ebenso wie alle späteren und daraus folgenden Handlungen für null und nichtig. S. auch T 772/03.
In T 601/06 und T 869/06 boten die Kammern unter Abwägung der Interessen der Beteiligten und der Öffentlichkeit einen Alternativtermin innerhalb von zwei Monaten nach dem Tag der Antragstellung an. Der Zeitraum von rund zwei Monaten rühre daher, dass, außer wenn die Beteiligten zustimmten, neue Ladungen mindestens zwei Monate vor einer mündlichen Verhandlung ergehen müssten, weswegen Daten innerhalb des Zweimonatszeitraums nach Antragstellung nicht für andere Verfahren zur Verfügung stünden.
Nach T 2534/10 gilt R. 115 EPÜ auch für die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung an einem anderen als dem in der Ladung angesetzten Kalendertag, sodass für diesen Fall eine erneute Ladung erforderlich ist. S. auch T 1674/12.
Hat die Kammer mehr als eine Ladung zur mündlichen Verhandlung versandt, gilt in der Regel die zuerst versandte Ladung als die "Ladung zur mündlichen Verhandlung" im Sinne von Art. 25 (3) VOBK 2020 (T 1511/15).