2.7.1 Vom Erzeugnisanspruch zum Anspruch auf Verwendung des Erzeugnisses
Die Änderung der Anspruchskategorie im Einspruchsverfahren, insbesondere der Wechsel von einem Stoffanspruch zu einem Anspruch, der auf die Verwendung eines Erzeugnisses zu einem bestimmten Zweck gerichtet ist, wurde in der Entscheidung G 2/88 (ABl. 1990, 93) für die Verwendung eines bestimmten Gegenstands zur Erzielung einer Wirkung für zulässig befunden. Der Schutzbereich eines Patents werde durch den Inhalt der Patentansprüche (Art. 69 (1) EPÜ 1973) und insbesondere durch deren Kategorie und die technischen Merkmale bestimmt. Wenn erteilte Ansprüche, die auf "einen Stoff" und "ein diesen Stoff enthaltendes Stoffgemisch" gerichtet seien, so geändert würden, dass die geänderten Ansprüche auf die "Verwendung dieses Stoffes in einem Stoffgemisch" für einen bestimmten Zweck gerichtet seien, so sei dies nach Art. 123 (3) EPÜ 1973 nicht zu beanstanden. Es sei nämlich als ein dem EPÜ zugrunde liegendes Prinzip anerkannt, dass ein Patent, in dem ein Gegenstand per se beansprucht werde, für diesen Gegenstand absoluten Schutz gewähre, d. h. für jede bekannte oder unbekannte Verwendung dieses Gegenstands. Daraus folge, dass es einem Anspruch für einen Gegenstand per se an Neuheit mangele, wenn nachgewiesen werde, dass dieser Gegenstand, z. B. ein Stoff, bereits zum Stand der Technik gehöre. Daraus folge aber auch, dass ein Anspruch für eine bestimmte Verwendung eines Stoffes tatsächlich nur insoweit ein Anspruch für den Gegenstand (z. B. den Stoff) sei, als dieser im Verlauf einer bestimmten Tätigkeit (der Verwendung) verwendet werde, wobei dieser Umstand ein zusätzliches technisches Merkmal des Anspruchs sei. Der Schutzbereich eines solchen Anspruchs sei demnach kleiner als der eines Anspruchs für den Gegenstand per se.
Die Große Beschwerdekammer unterschied jedoch zwischen Ansprüchen, die auf die Verwendung eines bestimmten Gegenstands zur Erzielung einer "Wirkung" gerichtet sind, und Ansprüchen, die auf die Verwendung zur Herstellung eines "Erzeugnisses" gerichtet sind. Der Anspruch des zweiten Typs sei ein Verfahrensanspruch im Sinne von Art. 64 (2) EPÜ 1973.
In T 401/95 identifizierte die Kammer mit Verweis auf G 2/88 (ABl. 1990, 93) zwei verschiedene Arten von Verwendungsansprüchen, nämlich
(i) die Verwendung eines Gegenstands zur Erzielung einer Wirkung und
(ii) die Verwendung eines Gegenstands zur Herstellung eines Erzeugnisses.
Ein Verwendungsanspruch des Typs ii gilt als Verfahrensanspruch, der physische Schritte zur Herstellung des Erzeugnisses unter Verwendung des Gegenstands umfasst, was zur Folge hat, dass diese Art des Verwendungsanspruchs ein Verfahrensanspruch im Sinne des Art. 64 (2) EPÜ 1973 ist. Nach diesem Artikel ist auch das durch dieses Verfahren unmittelbar hergestellte Erzeugnis geschützt. Somit fällt das durch dieses Verfahren hergestellte Erzeugnis unter den Schutzumfang eines derartigen Verwendungsanspruchs. Folglich erstreckte sich der Schutzumfang des Verwendungsanspruchs in der geänderten Fassung auf die beanspruchte Verwendung und das durch das beanspruchte Verfahren unmittelbar hergestellte Erzeugnis, wodurch im vorliegenden Fall der Schutzumfang erweitert wurde (zu einem Fall, bei dem die Frage von Art. 64 (2) EPÜ 1973 nicht berücksichtigt wurde, s. dagegen T 879/91).
T 75/90 erlaubte den Wechsel von einem auf einen "Transportbehälter ... zur Durchführung des Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 3" gerichteten Anspruch zu einem Anspruch betreffend die "Verwendung eines Transportbehälters zur Durchführung des Verfahrens".