2.2.5 Auslegung und Berichtigung von Abbuchungsaufträge
Dieser Abschnitt wurde aktualisiert, um die Rechtsprechung und Gesetzänderungen bis 31. Dezember 2023 zu berücksichtigen. Die vorherige Version dieses Abschnitts finden Sie in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern", 10. Auflage (PDF). |
In T 1474/19 fasste die Kammer die Rechtsprechung der Beschwerdekammern zur Gültigkeit eines nach den VLK eingereichten Abbuchungsauftrags zusammen. Gemäß der einen Rechtsprechungslinie (s. nachstehend i)) muss ein den Erfordernissen für die Einreichung entsprechender Abbuchungsauftrag ungeachtet formaler Mängel nach seinem Inhalt beurteilt werden, in Anbetracht der klaren im Auftrag objektiv ausgedrückten Absicht des Beteiligten, eine bestimmte Gebühr (z. B. die Beschwerdegebühr) von einem identifizierbaren Konto aus zu zahlen. Es muss kein Betrag angegeben sein. Auf dieser Basis ist das Amt zur Abbuchung der beabsichtigten Gebühr in der geltenden, d. h. korrekten Höhe befugt und hat sie abzubuchen. Eine andere Rechtsprechungslinie (s. nachstehend ii)) geht "wörtlicher" an die Auslegung eines Abbuchungsauftrags heran und stellt stärker auf den angegebenen, falschen Betrag ab. Laut einer weiteren Rechtsprechungslinie (s. nachstehend b)) ist die Berichtigung eines Abbuchungsauftrags nach R. 139 EPÜ gemäß den in G 1/12 dargelegten Voraussetzungen möglich.
i) Inhalt eines Abbuchungsauftrags – klare Zahlungsabsicht
Die langjährige Praxis des EPA, Abbuchungsaufträge von Amts wegen zu berichtigen, geht zurück auf T 152/82 date: 1983-09-05 (Abbuchungsauftrag I, ABl. 1984, 301), wonach ein Abbuchungsauftrag ungeachtet der in ihm enthaltenen unrichtigen Angaben (hier der falsche Gebührenbetrag) zu vollziehen ist, wenn das vom Auftraggeber Gewollte eindeutig erkennbar ist (s. Leitsatz II).
In T 17/83 date: 1983-09-20 (Abbuchungsauftrag II, ABl. 1984, 306) kam die Kammer mit Verweis auf T 152/82 date: 1983-09-05 zu folgendem Schluss: wenn eine an das EPA gerichtete Eingabe die Mitteilung enthält, dass zur Zahlung einer Gebühr ein Abbuchungsauftrag erteilt war, so kann diese Mitteilung hilfsweise selbst als Abbuchungsauftrag gewertet werden, wo der erwähnte Abbuchungsauftrag nicht ermittelt werden konnte (s. Leitsatz). Diese Entscheidungen wurden bestätigt in T 170/83date: 1983-09-20 (Abbuchungsauftrag III, ABl. 1984, 605), wo festgestellt wurde, dass es bei der Zahlung per Abbuchungsauftrag um die Frage gehe, ob das EPA rechtzeitig ermächtigt wurde, über vorhandenes Geld für einen ganz bestimmten Zahlungszweck zu verfügen, trotz mancher Formmängel (hier die versehentliche Verwendung eines für ein nationales Amt bestimmten Formulars). Unter Anwendung dieses Ansatzes kam die Kammer in T 152/85 (ABl. 1987, 191) zu dem Schluss, dass innerhalb der vorgeschriebenen Frist keine Unterlage eingereicht wurde, die als Abbuchungsauftrag hätte angesehen werden können.
In T 1265/10 sah die Kammer unter den besonderen Umständen des Falles das Ankreuzen von Abschnitt X des Einspruchs (EPA-Formblatt 2300) zum Hinweis auf einen beigefügten Gebührenzahlungsvordruck (wobei beim EPA allerdings keine entsprechende Anlage vorgefunden wurde) als eine Absichtserklärung, die Einspruchsgebühr zu entrichten. Ein Abbuchungsauftrag muss klar als solcher erkennbar sein und vom klaren und unmissverständlichen Willen zeugen, eine bestimmte Zahlung vorzunehmen (T 170/83; T 152/82 date: 1983-09-05; T 152/85,). In T 170/83 sei festgestellt worden, dass eine aus den gegebenen Umständen abzuleitende Ermächtigung zunächst voraussetzt, dass der Auftraggeber (Kontoinhaber) bekannt und eindeutig erkennbar ist, dass ganz bestimmte, in einem bekannten Verfahren vor dem EPA fällige Gebühren im Wege der Abbuchung (und nicht etwa in einer noch offenstehenden Weise) gezahlt werden sollen. In Anlehnung an die Sache T 806/99, der ein fast identischer Sachverhalt zugrunde lag, befand die Kammer, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt waren. Dies war für die Zahlung der Gebühr ausreichend.
In J 14/12 stellte sich die Frage, ob auf die entrichteten Jahresgebühren für eine Teilanmeldung Zuschlagsgebühren zu zahlen waren. Die Kammer stellte hinsichtlich einiger Jahresgebühren fest, dass ein innerhalb der Viermonatsfrist von R. 51 (3) Satz 2 EPÜ eingereichtes Schreiben, in dem (allgemein) um Abbuchung der mit der Einreichung der Teilanmeldung fällig werdenden Gebühren ersucht wurde, in Verbindung mit dem zusammen mit der Anmeldung eingereichten internen Gebührenberechnungsblatt genügte, um die Anforderungen an den Inhalt eines gültigen Abbuchungsauftrags zu erfüllen (s. frühere Nr. 6.3 VLK, veröffentlicht in der Beilage zum ABl. 3/2009). Die betreffenden Jahresgebühren waren damit rechtzeitig entrichtet worden, sodass keine Zuschlagsgebühren anfielen.
In T 1474/19 hatte der Beschwerdeführer einen Abbuchungsauftrag mit Form 1038E eingereicht und eine ermäßigte Beschwerdegebühr angegeben, auf die er keinen Anspruch hatte (s. auch dieses Kapitel III.U.5.2). Der Fehlbetrag wurde außerhalb der Frist entrichtet. Die Kammer folgte T 152/82 und kam zu dem Schluss, dass der Beschwerdeführer die klare Absicht hatte, die Beschwerdegebühr zu entrichten, um wirksam Beschwerde einzulegen, wobei der zu entrichtende Betrag (in diesem Fall) der volle Gebührenbetrag war. Dass im Abbuchungsauftrag ein unrichtiger, nämlich ermäßigter Gebührenbetrag angegeben wurde, sei irrelevant für die Gültigkeit der Zahlung. Da am Tag, als der Abbuchungsauftrag beim EPA einging, ausreichend Deckung auf dem laufenden Konto vorhanden war, war dieses Datum als Zahlungstag (für den vollen Betrag) anzusehen.
Laut der Kammer in T 1678/21 kann man sich sowohl der Entscheidung T 152/82 als auch der in T 1474/19 enthaltenen Zusammenfassung der nachfolgenden Rechtsprechung anschließen, aber nur unter der Voraussetzung, dass der Kammer aus der Aktenlage am Ende der Beschwerdefrist bekannt war, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Abbuchung der ermäßigten Beschwerdegebühr keinen Anspruch auf Ermäßigung der Beschwerdegebühr nach R. 6 (4) und (5) EPÜ hatte. Da diese Voraussetzung im vorliegenden Fall nicht erfüllt war, konnten die Ausführungen des Beschwerdeführers in der Beschwerdeschrift und in Form 1038E nicht dahin gehend gewertet werden, dass sie die klare Absicht der Zahlung der regulären Beschwerdegebühr zum Ausdruck brachten. Siehe auch nachstehend b) zum Antrag des Beschwerdeführers auf Berichtigung nach R. 139 EPÜ.
ii) Wortlautbasierter Ansatz
In einigen Entscheidungen wurde der Fokus stärker auf den unrichtigen Betrag im Abbuchungsauftrag gelegt, was dazu geführt hat, dass Beschwerden als nicht wirksam eingelegt galten (s. z. B. T 17/83 und T 79/01).
In T 198/16 entschied die Kammer, dass die in der elektronisch eingereichten Beschwerdeschrift enthaltene Aussage "Die Beschwerdegebühr wird mit dem beigefügten Formblatt 1010 entrichtet" (wobei das Formblatt nicht beigefügt war) kein "klarer, eindeutiger und vorbehaltloser" Abbuchungsauftrag gemäß Nr. 6.3 VLK 2015 war (wonach der Gebührenbetrag im Abbuchungsauftrag angegeben werden musste). Vielmehr wurde sie als bloße Absichtserklärung verstanden, einen solchen Abbuchungsauftrag mit einem anderen Dokument, nämlich Form 1010 zu erteilen und dadurch die Zahlung auszuführen. In ausdrücklicher Abkehr von T 1265/10 befand die Kammer, dass die Absicht, einen Abbuchungsauftrag vom laufenden Konto zu erteilen, es dem EPA, wenn es im Rahmen des Systems der laufenden Konten bereits treuhänderisch über das Geld verfügt, noch nicht erlaubt, daraufhin tätig zu werden und die Absicht auszuführen. In T 1000/19 wurde der Ansatz von T 1265/10 ebenfalls abgelehnt, da laut den VLK 2017 ein Abbuchungsauftrag in einem bestimmten elektronisch verarbeitbaren Format eingereicht werden musste. Allerdings befürwortete die Kammer in dem betreffenden Fall eine Berichtigung nach R. 139 EPÜ und befand, dass die Gebühr wirksam entrichtet wurde (s. nachstehend b)).
In T 1060/19 hatte der Beschwerdeführer einen Abbuchungsauftrag unter Verwendung von EPA Form 1038E eingereicht und eine ermäßigte Beschwerdegebühr angegeben, auf die er keinen Anspruch hatte (s. dieses Kapitel III.U.5.2). Der Fehlbetrag wurde außerhalb der Frist entrichtet. Die Kammer stellte fest, dass eine ausdrückliche Anweisung zur Abbuchung der vollen Gebühr erst nach der Beschwerdefrist erteilt und keine Erklärung über den Anspruch auf Gebührenermäßigung eingereicht wurde (s. auch T 1222/19 und T 333/20).