5.1. Einleitung
Bereits die Art. 12 und 13 VOBK 2007 (ehemals Art. 10a VOBK 2003 und Art. 10b VOBK 2003) zielten im Wesentlichen darauf, das Parteivorbringen auf ein frühes Verfahrensstadium zu konzentrieren, sodass ein möglichst vollständiger Sachvortrag bei Bearbeitung der Akte vorliegt. Insbesondere sollten keine Änderungen zugelassen werden, die zu einer Verlegung der mündlichen Verhandlung führen. Sie verfolgten also den Zweck der Verfahrensbeschleunigung und waren Ausdruck des Prinzips der Fairness gegenüber der/den anderen Partei/en. Hieraus folgte, dass die Parteien im Beschwerdeverfahren bei ihrer Verfahrensführung gewissen Grenzen unterworfen waren. So oblag es bereits nach Art. 12 und 13 VOBK 2007 jedem Verfahrensbeteiligten selbst, alle für seine Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung relevanten Tatsachen, Beweismittel, Argumente und auch Anträge so frühzeitig und vollständig wie möglich vorzulegen (T 162/09). Mit den diese Grundsätze festschreibenden Bestimmungen der VOBK 2003 über Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten (Art. 10a VOBK 2003 und Art. 10b VOBK 2003) wurde damals im Wesentlichen die umfangreiche Rechtsprechung der Beschwerdekammern kodifiziert (s. dazu T 87/05, R 5/11).
Nach Art. 12 (2) VOBK 2007 mussten die Beschwerdebegründung und die Erwiderung den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten und sollten unter anderem ausdrücklich und spezifisch alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel anführen.
Art. 12 (4) VOBK 2007 (der in einigen Übergangsfällen weiterhin anwendbar ist) nannte ausdrücklich die Befugnis der Kammer, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können oder dort nicht zugelassen worden sind. Schon nach der VOBK 2003 und VOBK 2007 sollten die Entscheidungen der Beschwerdekammern im Prinzip auf der Basis des Streitstoffs der ersten Instanz ergehen, was die Zulassung von neuem Vorbringen zwar nicht ausschloß, jedoch von der Erfüllung bestimmter Voraussetzungen abhängig machte. Im Beschwerdeverfahren sollte nämlich kein gänzlich neuer Fall, kein "fresh case" geschaffen werden (vgl. hierzu auch T 356/08, T 1685/07, T 162/09).
Nach Art. 13 (1) VOBK 2007 (der in einigen Übergangsfällen weiterhin anwendbar ist) stand es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens wurden (und werden in besagten Übergangsfällen) insbesondere die beispielhaft aufgezählten Kriterien Komplexität des neuen Vorbringens, Stand des Verfahrens und Verfahrensökonomie berücksichtigt; es konnten (und können) aber nach der Rechtsprechung auch andere Überlegungen und etablierte, für die Frage der Zulässigkeit relevante Kriterien für die Ermessensausübung herangezogen werden (R 16/09, R 1/13, T 253/10, T 484/11. Art. 13 (3) VOBK 2007 ergänzte, dass Änderungen des Vorbringens nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen werden, "wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder dem bzw. den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist."