5.2. Begriff des technischen Charakters in der Rechtsprechung
Dieser Abschnitt wurde aktualisiert, um die Rechtsprechung und Gesetzänderungen bis 31. Dezember 2023 zu berücksichtigen. Die vorherige Version dieses Abschnitts finden Sie in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern", 10. Auflage (PDF). |
Eine Erfindung kann als eine Erfindung im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ 1973 angesehen werden, wenn mit ihr z. B. eine technische Wirkung erzielt wird oder wenn technische Überlegungen zu ihrer Ausführung erforderlich sind (T 931/95, ABl. 2001, 441).
In G 3/08 date: 2010-05-12 (ABl. 2011, 10) hat die Vorlage nicht eine Abweichung in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern aufgezeigt. Es ist aber zumindest potenziell die Gefahr einer Verwechslung gegeben, die von der Annahme herrührt, dass technische Überlegungen genügen, um einem beanspruchten Gegenstand technischen Charakter zu verleihen – diese Haltung wurde offenbar in einigen Fällen vertreten (z. B. T 769/92).
In T 1173/97 wurde argumentiert, dass alle Computerprogramme technische Wirkungen haben, da beispielsweise die Ausführung verschiedener Programme dazu führt, dass auf dem betreffenden Computer unterschiedliche Ströme fließen. Derartige technische Wirkungen genügen jedoch nicht, um den Programmen "technischen Charakter" zu verleihen; diese müssen weitere technische Wirkungen erzeugen.
Desgleichen dürfte es so sein, dass – auch wenn zugegebenermaßen jede Computerprogrammierung mit technischen Überlegungen einhergeht, da sie auf die Festlegung eines von einer Maschine ausführbaren Verfahrens gerichtet ist – dies allein nicht ausreicht, um dem aus der Programmierung hervorgehenden Programm technischen Charakter zu verleihen. Dazu muss der Programmierer technische Überlegungen angestellt haben, die über das "bloße" Ermitteln eines Computeralgorithmus zur Ausführung eines Verfahrens hinausgehen (G 3/08 date: 2010-05-12, Nr. 13.5 der Gründe; s. auch T 1358/09).
In T 914/02 kann das Vorhandensein technischer Überlegungen bei einem Verfahren, das ausschließlich gedanklich ausgeführt wird, nicht ausreichen, um technischen Charakter zu verleihen. Technischer Charakter kann aus der technischen Umsetzung des Verfahrens entstehen, durch die es eine konkrete, technische Wirkung erzielt, etwa durch Hervorbringen eines daraus resultierenden Gegenstands oder einer nichtabstrakten Tätigkeit, etwa durch die Verwendung technischer Mittel. Die Kammer wies einen Anspruch auf eine Erfindung, die technische Überlegungen einschloss und technische Ausführungsformen umfasste, mit der Begründung zurück, dass die beanspruchte Erfindung auch ausschließlich mittels gedanklicher Tätigkeiten ausgeführt werden könne, die nach Art. 52 (2) c) EPÜ 1973 von der Patentierbarkeit ausgeschlossen seien.
In T 619/02 (ABl. 2007, 63) stellte die Kammer fest, dass das im EPÜ verankerte Erfordernis des technischen Charakters nicht als erfüllt gelten kann, wenn eine Erfindung neben etwaigen technischen Ausführungsarten auch Ausführungsformen umfasst, die nicht als technisch zu bezeichnen sind. Daraus folgt, dass eine Erfindung nur dann patentfähig im Sinne von Art. 52 (1) EPÜ 1973 ist, wenn die beanspruchte Erfindung Aspekte beinhaltet, die im Wesentlichen allen Ausführungsarten der Erfindung technischen Charakter verleihen. Eine analoge Bedingung gilt im Übrigen für die Ausschlüsse von der Patentierbarkeit nach Art. 52 (2) EPÜ 1973; dies wird durch die Entscheidung T 914/02 veranschaulicht, wo die Kammer einen Anspruch auf eine Erfindung, die technische Überlegungen einschloss und technische Ausführungsformen umfasste (Nr. 3 der Gründe), mit der Begründung zurückwies, dass die beanspruchte Erfindung auch ausschließlich mittels gedanklicher Tätigkeiten ausgeführt werden könne, die nach Art. 52 (2) c) EPÜ 1973 von der Patentierbarkeit ausgeschlossen seien (s. auch T 388/04, ABl. 2007, 16), Nr. 3 der Gründe).
In T 306/04 wies die Kammer darauf hin, dass die bloße Möglichkeit, dass eine angebliche Erfindung technischen Zwecken dient oder eine technische Aufgabe löst, nicht ausreicht, um den Ausschluss nach Art. 52 (2) und (3) EPÜ 1973 zu vermeiden (s. auch T 388/04, ABl. 2007, 16; T 1410/07).
In T 471/05 stellte die Kammer fest, dass das beanspruchte Verfahren nicht ausgeschlossene Ausführungsformen umfasste. Dies konnte jedoch nicht darüber hinweghelfen, dass es sich auch auf ausgeschlossene Gegenstände erstreckte (T 453/91, T 914/02, Nrn. 2 und 3 der Gründe; T 388/04, ABl. 2007, 16; T 930/05). Solange das beanspruchte Entwurfsverfahren daher nicht auf physische, technische Ausführungsformen beschränkt war, umfasste der beanspruchte Gegenstand Ausführungsarten, die nach Art. 52 (1) bis (3) EPÜ 1973 von der Patentierung ausgenommen waren und konnte somit nach dem EPÜ keinen Patentschutz erlangen.
In T 1234/17 erachtete es die Kammer für grundsätzlich nicht ausreichend, dass ein Algorithmus eine technische Größe in Form eines gemessenen physikalischen Parameters (Wetterdaten) verwendet. Ausschlaggebend ist, ob der Algorithmus zusätzliche technische Überlegungen zu dem Parameter widerspiegelt, also z. B. zu seiner Messung. Anders als in T 2079/10 gab es solche Überlegungen im vorliegenden Fall nicht.