3.5.4 Begründung einer Entscheidung per EPA-Formblatt 2061
Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (z. B. T 278/00 (ABl. 2003, 546), T 861/02, T 897/03, T 276/04, T 1182/05, T 1309/05, T 1356/05, T 1360/05, T 1709/06, T 952/07, T 1612/07, T 1442/09, T 177/15 und T 180/10) erfüllt eine sich auf einen oder mehrere Bescheide beziehende Standardentscheidung nach Aktenlage nur dann das Begründungserfordernis, wenn sich die Kammer nicht anhand verschiedener Argumente aus der Akte die Begründung "mosaikartig" erschließen muss. Unzureichend ist es auch, wenn nicht eindeutig ist, auf welche Anspruchsfassung sich die Argumente beziehen. Eine solche Entscheidung erfüllt nicht das Erfordernis der Entscheidungsbegründung gemäß R. 68 (2) EPÜ 1973 (jetzt R. 111 (2) EPÜ).
In T 963/02 stellte die Kammer fest, dass eine Entscheidung per EPA-Formblatt 2061, welche auf einen oder mehrere frühere Bescheide verweist, den Anforderungen an eine begründete Entscheidung nur dann genügt, wenn der Bescheid, auf den verwiesen wird, selbst die in den Entscheidungen T 897/03 und T 278/00 (s. oben) festgelegten Bedingungen für eine ausreichende Begründung erfüllt, er also klar die Entscheidungsgründe erkennen lässt (so auch T 1182/05).
In T 583/04 befand die Kammer, dass eine Formblatt-Entscheidung mit Verweis sachdienlich ist, wenn der Bescheid, auf den verwiesen wird, eine vollständig begründete Darlegung der Einwände der Prüfungsabteilung gegen den aktuellen Wortlaut der Anmeldung sowie eine Widerlegung aller Gegenargumente des Anmelders enthält. Dadurch wird erkennbar, dass die Entscheidung auf dem vereinbarten Wortlaut beruht und keine Feststellungen enthält, die dem Anmelder nicht bereits mit der Möglichkeit zur Stellungnahme übermittelt wurden, sodass das rechtliche Gehör gewahrt ist (Art. 113 EPÜ).
In J 18/16 verwies die angefochtene Entscheidung lediglich auf eine vorangehende Formularmitteilung zu Mängeln der Anmeldung und enthielt im formularmäßig vorgesehenen Abschnitt "Weitere Angaben zu dem noch bestehenden Mangel" keine weiteren Ausführungen, warum die Eingangsstelle der Auffassung war, dass die nachträglich eingereichten Unterlagen die beanstandeten Mängel nicht beseitigten bzw. inwieweit damit unter Verstoß gegen R. 58 Satz 2 EPÜ Änderungen vorgenommen wurden, die über das hinausgingen, was zur Mängelbeseitigung erforderlich gewesen wäre. Die Kammer sah darin einen Verstoß gegen R. 111 (2) EPÜ und verwies die Angelegenheit wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels an die erste Instanz zurück.
In T 353/11 wurde in der angefochtenen Entscheidung ausschließlich auf eine Mitteilung Bezug genommen, die einer Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war. Die Mitteilung enthielt lediglich die Angabe des nächstliegenden Stands der Technik und des Unterscheidungsmerkmals der Erfindung, den Hinweis, dass "nicht klar" sei, ob die Beispiele in der Anmeldung das Unterscheidungsmerkmal der Erfindung illustrierten, und dass geprüft würde, ob das Verfahren erfinderisch sei oder nicht, sowie die Aufforderung an den Beschwerdeführer, ein Vergleichsbeispiel einzureichen. Die Mitteilung enthielt weder eine explizite Schlussfolgerung zur erfinderischen Tätigkeit noch nannte sie Gründe, aus denen das beanspruchte Verfahren nicht erfinderisch sei. Damit hatte die Prüfungsabteilung keine begründete Entscheidung im Sinne der R. 111 (2) EPÜ erlassen.
Die Kammer in T 1998/10 befand, die Verwendung des Formblatts könnte bei Entscheidungen nach Aktenlage als sachdienlich angesehen werden, wenn es sich um außergewöhnlich einfache Sachverhalte handle. Im vorliegenden Fall bezog sich die angefochtene Entscheidung auf einen Bescheid der Prüfungsabteilung, in dem wiederum auf den schriftlichen Bescheid der ISA verwiesen wurde. Die Kammer hätte zwar eine unabhängige, vollständig begründete Entscheidung vorgezogen, kam aber zu dem Schluss, dass die Einwände, die zu der Zurückweisung geführt hatten, aus den Verweisen eindeutig und ohne unzumutbares Rätselraten hergeleitet und verstanden werden konnten.