11.7.2 Verhalten des Beschwerdeführers
In J 22/85 (ABl. 1987, 455) hielt es die Kammer nicht für billig, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen, weil der Beschwerdeführer es unterlassen hatte, bereits im Verfahren vor der Eingangsstelle die erst im Beschwerdeverfahren vorgelegten Beweismittel geltend zu machen.
In T 167/96 entsprach die angefochtene Entscheidung nicht den an eine begründete Entscheidung zu stellenden Mindestanforderungen. Obwohl kein Zweifel daran bestand, dass das Fehlen einer Begründung ein wesentlicher Verfahrensmangel war, hielt die Kammer eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr für unbillig. Der Beschwerdeführer benutzte das Beschwerdeverfahren, um notwendige Änderungen zu Punkten einzureichen, um deren Klärung sich die Einspruchsabteilung jahrelang vergeblich bemüht hatte (s. auch T 908/91).
Im Fall J 18/96 (ABl. 1998, 403) missachtete die Eingangsstelle die Vorschriften über die Eingangsprüfung. Obwohl der Beschwerde unter anderem wegen eines Verfahrensmangels stattgegeben wurde, entsprach die Rückerstattung der Beschwerdegebühr nicht der Billigkeit, weil die Beschwerdeführerin selbst den Anlass für das missglückte Verfahren vor der Eingangsstelle gegeben hatte.
In J 4/09 wurde darauf hingewiesen, dass ein Verhalten eines Anmelders regelmäßig als unbillig einzustufen sei, wenn die Beteiligungsmöglichkeiten im Ausgangsverfahren nicht wahrgenommen werden. Der Anmelder hatte auf die Mitteilung der Eingangsstelle nicht Stellung genommen, sondern erst in der Beschwerdebegründung auf einen offensichtlichen Widerspruch hingewiesen.
In T 1216/02 befand die Kammer, dass die Zurückweisungsentscheidung aus Gründen, die sich der Kenntnis und dem Einfluss der Prüfungsabteilung entzogen, auf Beweisen basierte, zu denen der Anmelder objektiv gesehen keine Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Dies stellte einen objektiven wesentlichen Verfahrensmangel nach R. 67 EPÜ 1973 dar. Eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr entsprach der Kammer zufolge jedoch nicht der Billigkeit, da der Beschwerdeführer im Falle der Zurückverweisung oder Abhilfe die weitere Sachprüfung hätte vereinfachen können, wenn er in seine Beschwerdebegründung eine inhaltliche Erwiderung auf den Bescheid der Prüfungsabteilung auf der Grundlage des Dokuments aufgenommen hätte, von dem er zum Zeitpunkt der Beschwerde wusste, dass es sich um das richtige handelte.
In T 427/03 wurde die angefochtene Entscheidung (das Patent zu widerrufen) aufgrund eines wesentlichen Verfahrensmangels aufgehoben. Die Kammer merkte an, dass es einerseits keinerlei Verweis auf einen Artikel oder eine Regel des EPÜ als Rechtsgrundlage für den Widerruf gebe, und anderseits der Widerruf nicht begründet wurde. Nach Auffassung der Kammer entsprach es jedoch nicht der Billigkeit, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen, weil der Beschwerdeführer zur Situation beigetragen habe, indem er nicht, wie gefordert, eine geänderte Beschreibung vorlegte, sondern einen neuen Anspruchssatz einreichte, und zwar 16 Monate, nachdem die Einspruchsabteilung am Ende der mündlichen Verhandlung verkündet hatte, das Patent könne in geändertem Umfang auf der Grundlage des letzten, am Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegten Anspruchssatzes aufrechterhalten werden.
In T 1500/10 wurde festgestellt: Wird von Amts wegen eine mündliche Verhandlung durchgeführt, weil das EPA dies nach Art. 116 (1) EPÜ für sachdienlich erachtet, und bleibt der ordnungsgemäß geladene Beteiligte der Verhandlung ohne triftigen Grund fern, so kann sein Verhalten zur Folge haben, dass die Rückzahlung der Beschwerdegebühr als unbillig abgelehnt wird.
In T 674/12 hielt die Kammer fest, dass der Beschwerdeführer das Verfahren durch die Einreichung verschiedener unklarer Anträge alles andere als beschleunigt hatte, was dazu beitrug, dass die Entscheidung der Prüfungsabteilung auf der Grundlage eines Antrags erfolgte, der nicht mehr im Verfahren war. Die Kammer befand, dass die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht der Billigkeit entsprach.
In T 1750/14 hatten die Vertreter des Beschwerdeführers wiederholt und unabhängig von ihrem Antrag auf Verlegung der mündlichen Verhandlung auch eine Verlegung des Zeitpunkts nach R. 116 (1) EPÜ beantragt. In der Entscheidung der Prüfungsabteilung war nicht begründet, warum eine Verlegung dieses Zeitpunkts – ungeachtet der Ablehnung des Antrags auf Verlegung der mündlichen Verhandlung – nicht gewährt wurde. Die Kammer stellte fest, dass der Prüfungsabteilung ein wesentlicher Verfahrensfehler unterlaufen ist. Wie die Kammer jedoch auch festhielt, hätte der Anmelder – und erst recht sein Vertreter – angesichts von R. 116 (1) letzter Satz EPÜ wissen müssen oder können, dass grundsätzlich weder garantiert ist, dass vor dem besagten Zeitpunkt eingereichtes schriftliches Vorbringen automatisch zum Verfahren vor dem EPA zugelassen wird, noch völlig unwahrscheinlich ist, dass auch nach diesem Zeitpunkt eingereichtes Vorbringen im Rahmen des Ermessens der Abteilung zugelassen wird. Der Anmelder hätte der Aufforderung der Prüfungsabteilung nachkommen und beispielsweise versuchen können, geänderte Anspruchssätze einzureichen, um die in der Ladung erhobenen Einwände auszuräumen. Dies hat der Anmelder von sich aus jedoch nicht getan. Ein solches Verhalten sprach nach Ansicht der Kammer nicht für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Gründen der Billigkeit im Sinne von R. 103 (1) a) EPÜ. Aus eigenem Versäumnis darf einer Partei kein Vorteil erwachsen.
- J 3/24
Zusammenfassung
In J 3/24 the examination and designation fees (due on Friday, 10 February 2023) had been paid too late (on Monday, 13 February 2023). By letter of 12 February 2023, the appellant's representative had requested that the payment be considered as made on time, as he had wrongly assumed that he had given an automatic debit order. On 21 February 2023, a notification of loss of rights had been sent undated, and had been sent again on 7 March 2023 (together, the "Notification") informing the appellant that the application had been deemed to be withdrawn due to the late payment. The Notification indicated as available means of redress a request for further processing under Art. 121 EPC and a request to consider the fee to have been paid on time under Art. 7(3), 7(4) RFees, each within a two-month time limit for filing. No valid request for further processing had been filed during that time.
The appellant argued that the fact that the Receiving Section had not replied to his letter of 12 February 2023 and had wrongly stated that a reply had been given with the Notification constituted a substantial procedural violation. He requested reimbursement of the appeal fee.
The Legal Board did not consider that the requirements in R. 103(1)(a) EPC were met in the present case. It recalled that according to the established case law of the Boards of Appeal, the principle of the protection of legitimate expectations (also referred to as the principle of good faith) requires communications addressed to applicants to be clear and unambiguous, i.e. drafted in such a way as to rule out misunderstandings on the part of a reasonable addressee. An applicant must not suffer a disadvantage as a result of having relied on a misleading communication (see G 2/97, J 2/87, J 3/87, J 4/23, T 2092/13). If a communication is not as clear and unambiguous as it should be and misleads a reasonable recipient, this may constitute a substantial procedural violation and entitle the appellant to reimbursement of the appeal fee (see J 3/87). On the other hand, both the EPO and users of the European patent system who are parties to proceedings before it are obliged to act in good faith. The principle of the protection of legitimate expectations does not give carte blanche to the person relying on it (J 4/23). It is the responsibility of users of the European patent system to take all necessary procedural actions to avoid a loss of rights (see G 2/97, R 4/09). It is also inherent in the principle of the protection of legitimate expectations that a person can only successfully invoke an expectation on which they could, on an objective basis, legitimately rely. The erroneous information from the EPO must objectively justify their conduct (see J 4/23; G 2/97). Thus it must be established that, on an objective basis and in the circumstances of the case, it was reasonable for the appellant to have been misled by the information on which they relied (see J 4/23, J 27/92, G 2/97).
The Legal Board acknowledged that the Notification made reference to the late payment but did not expressly address the request of 12 February 2023 for the late payment to be considered as having been made on time. It was therefore not clearly apparent whether the Receiving Section had taken this request into account in the Notification. However, it was not reasonable for the appellant to completely disregard the Notification. Even if the appellant's representative had considered the Notification as having been generated automatically without taking into account the request of 12 February 2023, it was expected that communications from the EPO would be observed. The Notification pointed out the legal remedies available to overcome the loss of rights caused by the late payment and indicated the time limit for filing a request for further processing. Such an official communication could not simply be ignored and set aside. Rather, it was the appellant's own responsibility to enquire about the situation regarding his request before expiry of the triggered time limits to ensure that he did not suffer any loss of rights. The fact that he only contacted the Receiving Section on 1 June 2023 had to be attributed solely to him. The Legal Board reiterated that it was the responsibility of users of the European patent system to take all necessary procedural actions to avoid a loss of rights. This applied all the more in the case at hand as the matter was initially set in motion by an error on the part of the appellant's representative. Moreover, even if a substantial procedural error were to be assumed – which could not be recognised here – reimbursement of the appeal fee would not be equitable within the meaning of R. 103(1)(a) EPC, since the behaviour of the appellant had contributed to the situation.
The request for reimbursement of the appeal fee was refused.