5.11.3 Zweiseitiges Beschwerdeverfahren
In der Entscheidung T 1830/11 ließ die Kammer Beweise zu, die zusammen mit der Beschwerdebegründung vorgelegt worden waren. Sie stellte fest, dass das EPÜ keine Vorschrift enthält, die den Einsprechenden verpflichtet, Beweise gegen jede mögliche in den abhängigen Ansprüchen definierte Rückfallposition einzureichen. Wird der Anspruchssatz wie hier in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung geändert, so kann die Verpflichtung nach Art. 114 (2) EPÜ, Beweismittel rechtzeitig vorzulegen, je nach Sachlage erst bei Einreichung der Beschwerdebegründung gegeben sein.
In T 79/11 wurden einige experimentelle Daten mit der Beschwerdebegründung vorgelegt. Sie stellten eine deutliche Reaktion auf die angefochtene Entscheidung dar. Darüber hinaus zielten sie auf die Unterstützung der Argumente des Beschwerdeführers (Patentinhabers) in Bezug auf die erfinderische Tätigkeit ab. Obwohl diese Dokumente bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorlegt werden können, stellten sie keine unangemessene Reaktion auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung dar.
In T 394/15 war ein von der Einspruchsabteilung zugelassener Antrag erstmals einen Monat vor der mündlichen Einspruchsverhandlung eingereicht worden. Die in Erwiderung darauf mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Dokumente erachtete die Kammer als eine gerechtfertigte und rechtzeitige Reaktion.
Weitere Entscheidungen, in denen die Kammern die Einreichung von Dokumenten und Beweismitteln als angemessene, rechtzeitige Reaktion ansahen, sind z. B. T 1554/16 (Reaktion auf Kombination mehrerer Ansprüche und Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung); T 978/17 (Vielzahl von möglichen Anspruchskombinationen, die von den Einsprechenden im Vorfeld nicht zumutbar abgedeckt werden konnten), T 2682/16 (Vergleichsversuche eingereicht in Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung, in der diese trotz gegenteiliger Argumentation des Einsprechenden das Erhalten eines Effekts über die gesamte Anspruchsbreite anerkannt hatte), T 2182/17 (Dokument mit Berechnungen galt als unmittelbare Erwiderung auf ein Argument der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung), T 1711/16 (Einwand der mangelnden Neuheit von Anspruch 1 gegenüber D2 wurde erstmals in der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren erhoben), T 247/17 (Meinungsumschwung der Einspruchsabteilung war für den Patentinhaber vor der mündlichen Verhandlung nicht erwartbar, weitere Beweismittel zugelassen).