4.3.4 Ermessen nach Artikel 12 (4) VOBK 2020
Dieser Abschnitt wurde aktualisiert, um die Rechtsprechung und Gesetzänderungen bis 31. Dezember 2023 zu berücksichtigen. Die vorherige Version dieses Abschnitts finden Sie in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern", 10. Auflage (PDF). |
Gemäß der nicht erschöpfenden Liste von Kriterien in Art. 12 (4) Satz 5 VOBK 2020 berücksichtigt die Kammer bei der Ausübung ihres Ermessens insbesondere die Komplexität der Änderung, ihre Eignung zur Behandlung der Fragestellungen, die zur angefochtenen Entscheidung führten, und das Gebot der Verfahrensökonomie.
Als weiteres Kriterium haben die Kammern herangezogen, ob das Beschwerdevorbringen früher hätte vorgetragen werden sollen oder ob es – im Gegenteil – bei frühestmöglicher Gelegenheit eingereicht worden ist, d. h. ob es als gerechtfertigte Reaktion auf späte Entwicklungen im Verfahren angesehen werden kann, die zu der angefochtenen Entscheidung geführt haben. Siehe z. B. T 121/20, T 864/20, T 3240/19 und T 3248/19, die sich in diesen Zusammenhang teilweise auf Art. 12 (6) VOBK 2020 berufen, sowie T 73/20, in der außerdem auf Art. 12 (4) Satz 3 VOBK 2020 verwiesen wird, nach dem der Beteiligte unter anderem zu begründen hat, warum die Änderung im Beschwerdeverfahren erfolgt.
Zu den weiteren Gesichtspunkten, die von den Kammern bei ihrer Ermessensausübung berücksichtigt wurden, gehört die Frage, ob das Vorbringen der Beteiligten dem vorrangigen Ziel des Beschwerdeverfahrens, die angefochtene Entscheidung gerichtlich zu überprüfen, Rechnung trägt (s. z. B. T 1963/20) sowie – wenn auch nicht mit gleichem Gewicht wie die in Art. 12 (4) VOBK 2020 aufgeführten Kriterien – ob es sachgerecht erscheint, dass die Behandlung einer Entgegenhaltung in etwaige spätere Nichtigkeitsverfahren verschoben würde (T 1657/20).
Auch wenn die in diesem Abschnitt zusammengefassten Entscheidungen unter einem der genannten Kriterien aufgeführt sind, ist die Beurteilung der Kammern doch häufig auf eine Gesamtschau mehrerer Gesichtspunkte gestützt. Siehe z. B. T 3240/19, T 121/20, T 1516/20, T 1617/20, T 3248/19, T 868/20, T 869/20. Ein weiteres Beispiel findet sich in T 1821/20, wo die Kammer den Hauptantrag zuließ, da er eine Weiterentwicklung eines Antrags darstellte, der der angefochtenen Entscheidung zugrunde lag und zusätzliche Einschränkungen enthielt, die als Reaktion auf diese Entscheidung angesehen werden konnten. Die Änderung war zudem nicht komplex und zielte auf die Behandlung der Fragestellungen ab, die zur angefochtenen Entscheidung geführt hatten. Der Antrag diente auch der Verfahrensökonomie, da er ohne Weiteres gewährbar war.
Ob der Ausschluss von Vorbringen, das Teil des Beschwerdeverfahrens gemäß Art. 12 (2) VOBK 2020 ist, im Ermessen der Kammer liegt, ist umstritten. In zahlreichen Entscheidungen haben die Kammern die Auffassung vertreten, dass es keine Rechtsgrundlage für den Ausschluss von Vorbringen (wie etwa Dokumenten des Stands der Techik), das von der Einspruchsabteilung zum Verfahren zugelassen worden ist, aus dem Beschwerdeverfahren gibt (s. z. B. T 617/16, T 2337/16, T 1654/19, T 449/21). In anderen Entscheidungen wurde die Überprüfbarkeit solcher Ermessensentscheidungen durch die Kammern bejaht, wenngleich nur in begrenztem Umfang (s. z. B. T 2055/20 mit Verweis auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Aufl. 2022, V.A.3.4.1 b), und auf G 7/93, ABl. 1994, 775).
- T 248/22
Catchword:
Any reasons as to why an amendment to a party's appeal case overcomes an objection which is not part of the decision under appeal or of the appeal proceedings do not constitute valid reasons for admitting the amendment in view of Article 12(4) RPBA, second paragraph.