9.3. Besondere Gründe für eine Zurückverweisung
Dieser Abschnitt wurde aktualisiert, um die Rechtsprechung und Gesetzänderungen bis 31. Dezember 2023 zu berücksichtigen. Die vorherige Version dieses Abschnitts finden Sie in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern", 10. Auflage (PDF). |
Die Verfahrensökonomie und die Minimierung der Gesamtdauer eines Verfahrens betreffend ein Patent oder eine Patentanmeldung sind Art. 11 VOBK 2020 zugrunde liegende Prinzipien. Allerdings gibt es Fälle, in denen andere Überlegungen schwerer wiegen. Insbesondere wenn die Kammer bestimmte Aspekte erstmals prüfen müsste (infolge eines Verfahrensmangels oder aus anderen Gründen), ist die Verfahrensökonomie, wie die Kammern klargestellt haben, nur ein Beweggrund von vielen bei der Entscheidung, ob besondere Gründe für die Zurückverweisung vorliegen (T 2002/17, T 1028/17).
Wenn der Hauptantrag im Beschwerdeverfahren nicht mit dem in geändertem Umfang aufrechterhaltenen Patent übereinstimmt, die Einspruchsabteilung aber alle für die Beurteilung des Hauptantrags ebenso maßgeblichen Erfordernisse des EPÜ erschöpfend erörtert hat, so ist es insbesondere auch im Hinblick auf die gebotene Verfahrensökonomie sachdienlich und sinnvoll, dass die Kammer von dem ihr in Art. 111 (1) EPÜ und Art. 11 VOBK 2020 eingeräumten Ermessen dahin gehend Gebrauch macht, dass sie die vom Einsprechenden vorgebrachten Einwände selbst prüft und entscheidet (T 1561/15). Die Verfahrensökonomie selbst kann gegen eine Zurückverweisung sprechen, insbesondere dann, wenn sie im im Fall eines Patents, das kurz vor dem Ende seiner Lauzeit steht, mit dem Interesse der Rechtssicherheit verbunden ist (T 368/17).
Wenn hingegen die erstinstanzliche Abteilung noch nicht alle maßgeblichen Aspekte erörtert hat, schlägt das Pendel möglicherweise zur anderen Seite aus. In T 350/17 befand die Kammer z. B., dass im vorliegenden Fall der Antrag des Patentinhabers, die Frage der erfinderischen Tätigkeit auf zwei Ebenen prüfen zu lassen, Vorrang vor der Verfahrensökonomie hatte, weil dem Patentinhaber infolge eines wesentlichen Verfahrensfehlers eine erstinstanzliche Entscheidung in dieser Sache verwehrt worden war.
In T 894/20 erklärte die Kammer, dass die erfinderische Tätigkeit kein Grund für die angefochtene Entscheidung war. Da es das vorrangige Ziel des Beschwerdeverfahrens ist, die angefochtene Entscheidung zu überprüfen, befand die Kammer diesen Umstand sowie die Tatsache, dass dieser Fall außer der Reihe behandelt wurde und somit eine potenzielle Restlaufzeit des Patents von vierzehn Jahren bestand, als besondere Gründe für die Zurückverweisung der Sache an die Prüfungsabteilung.
In T 2017/16 verwies die Kammer die Sache zur Prüfung des Einspruchsgrunds der mangelnden erfinderischen Tätigkeit an die Einspruchsabteilung zurück, auch wenn dies das Verfahren zwangsläufig verlängern und zusätzliche Kosten für die Beteiligten verursachen würde.
- Sammlung 2023 “Abstracts of decisions”