2.4. Ausarbeitung, Bewertung und Benotung
Zum Grundsatz der einheitlichen Bewertung (Art. 6 (2) c) VEP; vgl. Art. 16 VEP 1994, englischer Wortlaut "uniformity of marking") stellte die Kammer in D 4/99 fest, dass die Annahme des Beschwerdeführers, von zwei unterschiedlichen Noten der beiden Prüfer könne nur eine zutreffend sei, nicht damit vereinbar sei, dass eine Note eine individuelle Bewertung der Arbeit des Kandidaten darstelle. Vielmehr könne auch im Rahmen der in den Ausführungsbestimmungen zu den VEP 1994 enthaltenen allgemeinen Anweisungen für die Bewertung ein mehr oder weniger strenger Maßstab angelegt werden, und verschiedene Aspekte könnten als wesentlich oder als weniger wichtig erachtet werden. Somit verfügten die Prüfer bei der Notenvergabe über einen Beurteilungsspielraum, und jeder von ihnen könne zu einer unterschiedlichen Bewertung gelangen, wobei beide Ergebnisse vertretbar seien. Unterschiedliche Bewertungen seien daher nicht als Verstoß gegen die ABVEP 1994 (D 5/94, D 6/98) zu werten. Um den Grundsatz der Gleichbehandlung zu wahren, sei in den Bewertungsbögen ein Abgleich der Noten vorgesehen. Wichen die Bewertungen voneinander ab, könne die Benotung in einem Gespräch zwischen beiden Prüfern revidiert werden. Die vom Prüfungsausschuss empfohlene Bewertung und ihre Festlegung durch die Kommission erfolgt in Kenntnis der unterschiedlichen, von jedem der beiden Prüfer vergebenen Noten. Auf diese Weise wird die einheitliche Bewertung (Art. 16 VEP 1994; D 12/82, ABl. 1983, 233) gewährleistet.
Die folgenden Entscheidungen bestätigten diesen Ansatz. Nach D 6/99 ergibt sich eine leicht unterschiedliche Bewertung zwangsläufig aus Art. 8 b) VEP 1994. Nach Ansicht der Kammer gebe es keine Vorschrift, die die Behauptung des Beschwerdeführers stütze, in derartigen Fällen sei nur die bessere der in jeder Kategorie der Prüfungsaufgaben erteilten Noten maßgeblich. In D 12/00 wies die Kammer die Behauptung des Beschwerdeführers zurück, jegliche Abweichung zwischen den Bewertungen der einzelnen Prüfer stelle eine grobe Missachtung des Einheitlichkeitsprinzips im Sinne von Art. 16 VEP 1994 dar. Die Beschwerdekammer bekräftigte ihre ständige Rechtsprechung (vgl. D 1/92, ABl. 1993, 357, die in diesem Kapitel V.C.2.6.3 behandelt wird; s. auch vorstehend D 4/99) und fügte hinzu, dass Meinungsverschiedenheiten über die Zahl der für eine bestimmte Antwort zu vergebenden Punkte Werturteile widerspiegeln, die grundsätzlich gerichtlicher Kontrolle entzogen sind. Und in D 3/00 (ABl. 2003, 365) betreffend die Prüfungsaufgabe D befand die Kammer, dass ein Bewerber bei seiner Prüfungsarbeit nicht per se für jede Antwort auf eine Teilfrage oder ein Teilelement Anspruch auf die höchste von einem der Prüfer vergebene Punktezahl hat.
In D 10/02 (ABl. 2003, 275) wies die Beschwerdekammer darauf hin, dass weder die VEP noch die ABVEP eine Regelung über das Verfahren in den Ausnahmefällen enthalten, in denen ein Ausschuss nicht in der Lage ist, sich über die Bewertung zu einigen. Auch das Hinzuziehen eines zusätzlichen Prüfers ist in den VEP oder den ABVEP nicht vorgesehen. Daher sei die Bestellung eines dritten Prüfers ohne eine Grundlage in den VEP oder den ABVEP als ein schwerwiegender Verfahrensfehler zu werten.