5.1.2 Änderungen, die durch einen Einspruchsgrund veranlasst sind – Regel 80 EPÜ
Overview
- T 2391/18
Catchword:
On the application of Rule 80 EPC and the findings of the Enlarged Board of Appeal in G 3/14 in case of an alleged discrepancy between the description and a feature stemming from a granted claim, see point 4.
- T 431/22
Zusammenfassung
In T 431/22 war die Beschwerdeführerin (Einsprechende) der Ansicht, der Hauptantrag erfülle nicht die Erfordernisse der R. 80 EPÜ, da der erteilte unabhängige Anspruch 1 im Einspruchsverfahren durch mehrere unabhängige Ansprüche ersetzt worden sei.
Nach R. 80 EPÜ können die Beschreibung, die Ansprüche und die Zeichnungen geändert werden, soweit die Änderungen durch einen Einspruchsgrund nach Art. 100 EPÜ veranlasst sind.
Die Kammer folgte im Wesentlichen den Erwägungen der Entscheidung T 263/05, insbesondere dem Ansatz, dass die Vereinbarkeit mit R. 80 EPÜ einer Beurteilung im konkreten Einzelfall bedarf und nicht pauschal zu beantworten ist.
Die Kammer vermochte aus R. 80 EPÜ keine Vorgaben dafür ableiten, auf welche Art und Weise bzw. mittels welcher Änderungen ein Patentinhaber einen Einspruchsgrund zu überwinden habe. Als "veranlasst" im Sinne von R. 80 EPÜ könnten Änderungen angesehen werden, die notwendig und zweckmäßig seien, einen Einspruchsgrund auszuräumen. Betreffe der Einspruchsgrund einen unabhängigen Anspruch, so stehe R. 80 EPÜ Änderungen nicht entgegen, wodurch dieser Anspruch durch zwei oder mehrere unabhängige Ansprüche ersetzt werde, sofern deren Gegenstand im Vergleich zum erteilten Anspruch eingeschränkt oder geändert sei. Es erschien der Kammer legitim, dass ein Patentinhaber zum Überwinden eines Einspruchsgrunds versucht, Teilbereiche des erteilten unabhängigen Anspruchs gegebenenfalls mittels zweier oder mehrerer unabhängiger Ansprüche abzudecken. Nach Auffassung der Kammer dürfte eine Grenze allerdings dann zu ziehen sein, wenn ein solches Vorgehen des Ersetzens eines unabhängigen Anspruchs als Versuch der Fortführung des Erteilungsverfahrens oder sonst verfahrensmissbräuchlich erscheine.
Vorliegend war der gegen das Streitpatent eingelegte Einspruch mit mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit insbesondere der jeweiligen Gegenstände der unabhängigen Ansprüche 1 und 14 begründet worden. Die Beschwerdegegnerin hatte auf diese Einspruchsgründe, sowie auf weitere zwischenzeitlich erhobene Einwände, mit dem Anspruchssatz des Hauptantrags reagiert, in dem der erteilte unabhängige Anspruch 1 durch die unabhängigen Ansprüche 1, 2, 3 und 4 ersetzt und der erteilte unabhängige Anspruch 14 gestrichen wurde. Die Kammer hielt fest, dass jeder dieser vier unabhängigen Ansprüche im Vergleich zum erteilten Anspruch 1 weitere beschränkende Merkmale enthielt. Diese vier Ansprüche stellten im Wesentlichen Kombinationen aus dem erteilten unabhängigen Anspruch 1 mit von diesem abhängigen Ansprüchen dar, wobei der aus der Beschreibung stammende Zusatz in Anspruch 3 das aus dem erteilten Anspruch 8 stammende Merkmal näher definierte. Einen Verfahrensmissbrauch hatte die Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht und vermochte die Kammer nicht zu erkennen.
Damit waren die Änderungen gemäß R. 80 EPÜ aus Sicht der Kammer nicht zu beanstanden.
- Sammlung 2023 “Abstracts of decisions”