4.5.5 Einreichung neuer Anträge – außergewöhnliche Umstände bejaht
In der Sache T 306/18 beschränkte sich Hilfsantrag 1 auf den einzigen Verfahrensanspruch des Patents in der erteilten Fassung (nach Streichung des Vorrichtungsanspruchs), der allein nach dem Kriterium der erfinderischen Tätigkeit zu beurteilen war. Nach Ansicht der Kammer wurde der Rahmen des Beschwerdeverfahrens durch die Einreichung dieses Antrags also nicht verändert. Das Fehlen neuer, in diesem sehr fortgeschrittenen Stadium des Verfahrens zu berücksichtigender Aspekte und die Vereinfachung des Verfahrens durch das Fehlen eines Verfahrensanspruchs stellten außergewöhnliche Umstände nach Art. 13(2) VOBK 2020 dar, die die Kammer als entscheidend für die Ausübung ihres Ermessens erachtete.
Zum Thema Streichung von Ansprüchen und Alternativen in Ansprüchen, siehe auch die Kapitel V.A.4.2.2 d). In den Entscheidungen T 713/14, T 1224/15, T 2222/15, T 1597/16, T 1439/16, T 1569/17, T 853/17, T 306/18 und T 482/19 wurden die betreffenden Streichungen als Änderungen des Beschwerdevorbringens angesehen, in den meisten Fällen dann aber zum Verfahren zugelassen, nicht jedoch z. B. in T 482/19 und T 2222/15.
- T 1800/21
Orientierungssatz:
1. Es scheint sich eine einheitliche Rechtsprechungslinie dahingehend zu entwickeln, dass in Fällen, in denen durch eine unkomplizierte Änderung wie das Streichen einer gesamten Anspruchskategorie eine Antragsfassung vorliegt, auf deren Basis das Patent erkennbar aufrechterhalten werden kann, außergewöhnliche Umstände im Sinne von Artikel 13(2) EPÜ vorliegen können. Diese erlauben dann eine positive Ermessensausübung, wenn die Änderung den faktischen oder rechtlichen Rahmen des Verfahrens nicht verschiebt, keine Neugewichtung des Verfahrensgegenstandes bedingt und weder dem Grundsatz der Verfahrensökonomie, noch den berechtigten Interessen einer Verfahrenspartei zuwiderläuft (im Anschluss an T 2295/19; siehe Gründe Nr. 3.4.2 bis 3.4.6) 2. Diese Rechtsprechung fügt sich hinsichtlich des Grades der geforderten prima facie Relevanz in die Stufen des mit der VOBK etablierten Konvergenzansatzes ein und führt diesen logisch fort (vgl. Gründe Nr. 3.4.7). 3. Es besteht keine Notwendigkeit (mehr), zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung die Große Beschwerdekammer zu befassen (vgl. Gründe Nr. 4 bis 4.4).
- T 424/21
Catchword:
1. If the deletion of dependent claims after notification of a summons to oral proceedings enhances procedural economy by clearly overcoming existing objections without giving rise to any new issues this might constitute cogent reasons justifying exceptional circumstances in the sense of Article 13(2) RPBA 2020.
2. For a first medical use of a substance or composition according to Article 54(4) EPC to be sufficiently disclosed it is not required to show the suitability for each and every disease, but it usually suffices to show that at least one medical use is credibly achieved.
- T 2019/20
Catchword:
The substance of the request filed during the oral proceedings before the board - i.e. the claimed subject-matter and the attacks against it - is fully encompassed by both the appellant's and the respondent's initial appeal case within the meaning of Article 12(1) to (3) RPBA. The request certainly limits the potential issues for discussion. This means that, in view of the totality of the facts of the present case, the filing of this request, although formally an amendment and as such potentially subject to the strict provisions of Article 13(2) RPBA, in substance does not constitute an amendment of a party's case within the meaning of Article 12(4) RPBA, but rather a partial abandonment of the initial appeal case. There is no apparent reason not to admit such a request under any of the Articles 12(5), 13(1) or 13(2) RPBA. (Reasons 23.)
- T 2080/18
Catchword:
siehe Punkt 5.1.
- Sammlung 2023 “Abstracts of decisions”