3.5.2 Maßstab bei der Beweiswürdigung
Die Rechtsprechung in dieser Frage scheint nunmehr durch die Entscheidungen T 286/10 und T 2227/11 festgelegt zu sein, die in jüngerer Zeit durch T 1711/11, T 353/14, T 545/08 und T 1589/13 bestätigt wurden. Darin wird auch auf die Praxis des Amts gemäß der Mitteilung des EPA über die Anführung von Internet-Dokumenten (ABl. 2009, 456 – 462) sowie auf den entsprechenden Abschnitt der Richtlinien Bezug genommen: Wird einer Anmeldung oder einem Patent ein Internet-Dokument entgegengehalten, müssen dieselben Sachverhalte geklärt werden wie bei jedem anderen Beweismittel einschließlich traditioneller Papierveröffentlichungen. Diese Bewertung erfolgt gemäß dem Grundsatz der "freien Beweiswürdigung". Das bedeutet, dass jedes Beweismittel entsprechend seiner Beweiskraft gewichtet wird, die unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls bestimmt wird. Die Beurteilung dieser Umstände erfolgt nach dem Grundsatz des Abwägens der Wahrscheinlichkeit. Danach reicht es nicht aus, dass der behauptete Sachverhalt (z. B. der Veröffentlichungstag) lediglich wahrscheinlich ist; die Prüfungsabteilung muss darüber hinaus von seiner Richtigkeit überzeugt sein.
Zusammenfassend ist der angemessene Beweismaßstab für Internet-Anführungen das "Abwägen der Wahrscheinlichkeit".
Der Schlussfolgerung aus der früheren Entscheidung T 1134/06, wonach auf Internet-Offenbarungen der strengere Beweismaßstab des zweifelsfreien Nachweises anzulegen war, wurde widersprochen.
Weitere Informationen sind in diesem Kapitel I.C.3.2.3 "Internet-Offenbarungen" und im Beweisrecht, Kapitel III.G.4.2.4 "Internetarchive und –veröffentlichungen", enthalten.