4.5.2 Verfahren mit sowohl therapeutischer als auch nicht therapeutischer Wirkung
In T 144/83 (ABl. 1986, 301) ging es um die Anwendung eines Appetitzüglers zum Gewichtsverlust gegenüber der Heilung von Fettsucht. Die Kammer machte darauf aufmerksam, dass der Wortlaut der fraglichen Ansprüche eindeutig ein kosmetisches Verfahren umfasst und mit einer therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers im üblichen Sinne nichts zu tun hat. Sie entschied, dass die Tatsache, dass ein chemischer Stoff sowohl eine kosmetische als auch eine therapeutische Wirkung habe, wenn er zur Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers verwendet werde, die kosmetische Behandlung nicht unpatentierbar mache.
In T 36/83 (ABl. 1986, 295) stellte die Kammer fest, dass bei der Behandlung von Komedonen eine antibakterielle Wirkung (therapeutisch) von einer kosmetischen Wirkung unterscheidbar war. Nach Ansicht der Kammer wurde durch die Verwendung des Wortes "kosmetisch" eine ausreichende Präzisierung vorgenommen, obwohl die anmeldungsgemäße kosmetische Behandlung gelegentlich auch eine therapeutische Behandlung miteinschließt.
In T 469/94 gelangte die Kammer zu der Auffassung, dass die beanspruchte nicht therapeutische Wirkung von Cholin und seine therapeutische Wirkung nicht untrennbar miteinander verbunden oder korreliert, sondern vielmehr leicht unterscheidbar sind: Erstens betreffen sie zwei eindeutig verschiedene Personengruppen (bzw. Patientengruppen), nämlich einerseits Patienten mit offensichtlichen Muskelerkrankungen, Muskelverletzungen oder epileptischen Zuständen und andererseits gesunde Personen, die durch die Behandlung keine therapeutische Wirkung erführen. Zweitens sind die Zeiträume, nach denen die jeweilige Wirkung sichtbar wird, so unterschiedlich (Tage bei der therapeutischen Wirkung und Minuten oder Stunden bei der nicht therapeutischen), dass es nicht zu einer unerwünschten Überschneidung von therapeutischer und nicht therapeutischer Behandlung kommen kann. Deshalb entschied die Kammer, dass der betreffende Anspruch auf ein nicht therapeutisches Verfahren gerichtet war.
In T 1916/19 betrafen die beanspruchten Verfahren und Verwendungen die Erzeugung einer antimikrobiellen Wirkung auf der Haut. Nach Ansicht der Prüfungsabteilung schloss dies inhärent eine prophylaktische Behandlung verschiedener Erkrankungen ein, da bei einer Hautdesinfektion stets auch pathogene Bakterien entfernt werden. Die Kammer vertrat dagegen die Auffassung, dass es zumindest einige identifizierbare Umsetzungen des Verfahrens gab, die eindeutig nicht therapeutischer Natur waren, so z. B. die Entfernung einen unangenehmen Körpergeruch erzeugender nicht pathogener Bakterien.