1.2. Beschwerdekammern als rechtsprechende Organe
Im Ex-parte-Verfahren T 1473/13 wurden im Antrag auf Aussetzung des Verfahrens mehrere Verfassungsbeschwerden angeführt, die vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängig waren (2 BvR 2480/10, 2 BvR 421/13, 2 BvR 756/16, 2 BvR 786/16) und sich auf den Vorwurf eines unzureichenden Rechtsschutzes beim EPA gegen Entscheidungen der Beschwerdekammern stützten. Der Beschwerdeführer verwies auf die Frage, ob das BVerfG die Beschwerdekammern des EPA wegen mangelnder richterlicher Unabhängigkeit der Mitglieder für nicht befugt halte, Entscheidungen der Prüfungsabteilungen zu überprüfen. Würde dies bejaht, wäre der Beschwerdeführer seines Rechts beraubt, seine Sache erneut vor einem einzusetzenden unabhängigen Gerichtsorgan vorzutragen, wenn die Kammer das Verfahren nicht aussetzen würde. Dies wäre eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör gemäß Art. 113 EPÜ. Der Beschwerdeführer müsste Verfassungsbeschwerden bei den nationalen Gerichten der benannten Vertragsstaaten einreichen. Würde das Verfahren hingegen ausgesetzt, könnte keine abschließende Entscheidung ergehen und der Beschwerdeführer könnte seine Sache vor einem einzusetzenden unabhängigen Gerichtsorgan vortragen. Der Beschwerdeführer stellte Behauptungen auf, ohne etwa näher auszuführen und/oder zu erläutern, ob das BVerfG nach deutschem Verfassungsrecht für Handlungen des EPA in Bezug auf Deutschland zuständig ist, und wenn ja, in welchem Umfang und mit welchen Befugnissen es zuständig ist. Die Kammer hielt es für angemessen, die wesentlichen Aspekte dieser Rechtsfrage von Amts wegen zu klären. Die Entscheidungen der Beschwerdekammern des EPA unterliegen grundsätzlich der Überprüfung durch das BVerfG. Bisher gibt es aber keine Rechtsprechung des BVerfG zur Umsetzung einer Feststellung, wonach eine Entscheidung des EPA gegen das deutsche Grundgesetz verstieße.
Die Beschwerdekammer in T 1473/13 befand schließlich, dass der Beschwerdeführer nicht nachgewiesen hatte, dass ihm bei einem Erfolg der Verfassungsbeschwerden ein rechtlicher Nachteil aus einer Nichtaussetzung entstünde. Andererseits hätte eine Aussetzung des Verfahrens auch Folgen für die wirksame gerichtliche Überprüfung im vorliegenden Fall, weil sie das Verfahren verzögern würde. Wenn andere Kammern denselben Ansatz verfolgten, könnte es außerdem sein, dass die Rechtspflege durch die Kammern stark beeinträchtigt werde oder gar zum Erliegen komme. Es gebe also keinen erwiesenen Nachteil für den Beschwerdeführer, und somit könnten die negativen Folgen einer Aussetzung bzw. Nichtaussetzung des Verfahrens nicht abgewogen werden. Der Antrag auf Aussetzung wurde daher zurückgewiesen. Bezüglich der Funktion der Kammern verwies die Kammer auf Beispiele dafür, dass Entscheidungen der Beschwerdekammern auch in anderen Rechtskreisen als der Europäischen Patentorganisation als Verwaltungsentscheidungen galten bzw. gelten.
Die Kammer in T 1473/13 prüfte gründlich das Vorliegen verfahrensrechtlicher Grundsätze gemäß Art. 125 EPÜ sowie Aspekte der Rechtsstaatlichkeit (EGMR), zu denen eine wirksame gerichtliche Überprüfung sowie unabhängige und unparteiische Gerichte gehören. Eine Aussetzung müsse nur behandelt werden, wenn tatsächlich festgestellt würde, dass ein größerer Nachteil entsteht, wenn über eine Sache entschieden wird, als wenn nicht entschieden wird.