2. Stand der Technik
Bei der Ermittlung der Neuheit sollte ein früheres Dokument so verstanden werden, wie es der Fachmann zum maßgeblichen Zeitpunkt des Dokuments verstanden hat. Mit dem Begriff "maßgeblicher Zeitpunkt" ist im Falle eines vorveröffentlichten Dokuments das Veröffentlichungsdatum und im Falle eines Dokuments gemäß Art. 54 (3) EPÜ der Anmeldetag oder gegebenenfalls der Prioritätstag gemeint (Richtlinien, G‑VI, 3 – Stand November 2018).
Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Ermittlung des Offenbarungsgehalts einer im Sinne von Art. 54 (2) EPÜ zum Stand der Technik gehörenden Druckschrift ihr Veröffentlichungsdatum maßgebend (vgl. T 205/91, T 737/00, T 1162/07). Das Veröffentlichungsdatum wird deshalb gewählt, weil sich im Normalfall die Bedeutung der verschiedenen Fachbegriffe des Dokuments bis zu dessen Veröffentlichung nicht ändert, sodass sein Inhalt so analysiert werden kann, als wäre es an dem Tag verfasst worden, an dem es der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Im vorliegenden konkreten Fall jedoch, in dem ein Fachbegriff wie z. B. ein Handelsname zwischen dem Anmelde- oder Prioritätstag und dem Datum der Veröffentlichung bekanntermaßen fallengelassen wurde, ist dieser Umstand zu berücksichtigen (T 2020/13).
Im Rahmen der Neuheitsprüfung ist eine Entgegenhaltung aus der Sicht des Fachmanns zur Zeit des Veröffentlichungsdatums zu würdigen, T 305/94. Eine Auslegung einer Druckschrift unter Verwendung von Wissen, das der Fachwelt erst zwischen dem Veröffentlichungsdatum des entgegengehaltenen Stands der Technik und dem Anmeldetag oder ggf. dem Prioritätstag der zu prüfenden Anmeldung oder des streitigen Patents zugänglich geworden ist, gehört nicht mehr zur Ermittlung der Offenbarung dieser Druckschrift im Rahmen einer Neuheitsprüfung, sondern in den Bereich der Prüfung im Hinblick auf das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit (vgl. T 205/91).