3.2.1 Veröffentlichungen und andere Druckschriften
Die Entscheidung T 804/05 betraf die öffentliche Zugänglichkeit eines Werbeprospekts, der üblicherweise an interessierte Fachkreise verteilt wird und auf seinem Deckblatt ein Datum trägt; die Kammer entschied, dass man mangels eines Gegenbeweises davon ausgehen musste, dass der Werbeprospekt in den diesem Datum folgenden Monaten den interessierten Kunden ohne Geheimhaltungspflicht zur Verfügung gestellt worden sei (s. auch T 1589/13 (Internet-Veröffentlichungen), wo diese Annahme durch eine eidesstattliche Versicherung und eine Rechnung für den Druck des Werbeprospekts gestützt war).
In T 743/89 stellte die Kammer fest, dass es im Interesse des Beschwerdegegners (Patentinhaber) lag, für eine weite Verbreitung des Werbeprospekts zu sorgen, um möglichst viele potenzielle Kunden über die neuesten Entwicklungen auf einem von starkem Wettbewerb geprägten Gebiet zu informieren. In diesem Fall war nachgewiesen, dass ein die Erfindung offenbarender Prospekt sieben Monate vor dem Prioritätsdatum gedruckt worden war. Ungewiss war dagegen, wann er verteilt wurde. Obwohl es nicht mehr möglich war, das Datum der Verteilung festzustellen, war es auf jeden Fall vernünftig, davon auszugehen, dass die Verteilung noch innerhalb der sieben Monate erfolgt war (s. auch T 1748/10).
In T 146/13 hatte der Einsprechende nach Auffassung des Patentinhabers nicht nachgewiesen, dass ein Werbeprospekt (D6) vor dem Prioritätstag des Patents verbreitet worden war. In Anlehnung an die Rechtsprechung (T 287/86, T 743/89, T 804/05, T 1748/10) stellte die Kammer fest, dass der Zeitraum zwischen dem Druckdatum und dem Prioritätstag mehr als 24 Monate betrug, was ein ausreichend langer Zeitraum für die Schlussfolgerung war, dass D6 tatsächlich öffentlich zugänglich war. Die Kammer war außerdem davon überzeugt, dass ein Werbeprospekt nach gängiger Praxis letztlich zur Verteilung an die interessierten Kreise gedruckt wird, um die Aufmerksamkeit potenzieller Kunden zu erregen. Auch der Herausgeber von D6 ließ aus diesem Grund den Prospekt drucken, mit dem er sich an das Zielpublikum wandte und in dem er seine Produkte und deren Vorteile präsentierte (s. auch T 184/11).
In T 77/94 entschied die Kammer, dass das Argument, wonach es Sinn und Zweck einer Werbebroschüre sei, verbreitet zu werden, und somit das Datum ihrer Verteilung unmittelbar auf das Druckdatum folge, nur eine grundsätzliche Annahme ist, die es zu bestätigen gilt, weil sie durch die Praxis oft widerlegt wird (s. auch T 1440/04).
In T 353/14 entschied die Kammer, dass D10 nicht als Werbeprospekt einer Firma betrachtet werden konnte, der potenzielle Kunden über bestimmte Produkte der Firma informieren sollte, wie in den Fällen T 743/89, T 253/02 und T 804/05. D10 hatte vielmehr den Charakter eines Fachartikels aus der Elektrotechnik. Daher konnten der Urheberrechtshinweis und der Änderungsvermerk nicht als Datum des Drucks einer bestimmten Menge von Exemplaren von D10 für deren spätere öffentliche Verteilung betrachtet werden. Es war nicht davon auszugehen, dass D10 vor dem Prioritätstag als Werbeprospekt öffentlich zugänglich gemacht wurde. Die öffentliche Verfügbarkeit von D10 wurde dann im Hinblick auf seine Verfügbarkeit im Internet geprüft (unter Abwägen der Wahrscheinlichkeit).
In T 523/14 war es sehr wahrscheinlich, dass der Einsprechende den Werbe-Newsletter im Herbst 2007 verteilt hat, da er großes Interesse daran hatte, möglichst viele Kunden für die neuen Geräte auf dem wachsenden und umkämpften Markt der Solarenergie zu gewinnen. Ferner befand die Kammer, dass der Werbe-Newsletter zwar nach weniger strengen Vorgaben abgefasst war als eine wissenschaftliche Veröffentlichung, die Informationen aber dennoch ausreichten, um einen Fachmann in die Lage zu versetzen, die technische Lehre auszuführen.