6. Mehrere Erfindungen – weitere Recherchengebühren
In W 36/90 und W 19/89 stellte die Kammer fest, dass der Recherchenprüfer bei internationalen Anmeldungen im Falle der Uneinheitlichkeit der Erfindung insbesondere dann, wenn dieser Mangel erst a posteriori sichtbar wird, beschließen kann, nicht nur für die erste Erfindung, sondern ergänzend dazu auch für die weiteren Erfindungen eine internationale Recherche durchzuführen, insbesondere, wenn sie von der erfinderischen Idee her sehr ähnlich sind und keine dieser Erfindungen eine Recherche in anderen Klassifikationseinheiten erforderlich macht, die Recherche also für alle Erfindungen ohne nennenswerte Mehrarbeit durchgeführt werden kann (vgl. PCT-Rechercherichtlinien wie bei der 7. Sitzung des Interimsausschusses für technische Zusammenarbeit im Oktober 1977 in Genf vereinbart, PCT/INT/5). In diesem Fall sollte kein Einwand wegen mangelnder Einheitlichkeit erhoben werden, da die Anforderung zusätzlicher Gebühren gegen den Grundsatz der Billigkeit gegenüber dem Anmelder verstieße (s. G 1/89, ABl. 1991, 155; s. auch z. B. T 755/14).
Laut T 806/18 könnte häufig, wenn ein unabhängiger Anspruch für nicht neu befunden wird, ein formaler Einwand wegen mangelnder Einheitlichkeit zwischen zwei oder mehreren Gruppen abhängiger Ansprüche erhoben werden. Doch sollte die Recherchenabteilung (bzw. die Prüfungsabteilung, wenn diese eine Feststellung mangelnder Einheitlichkeit überprüft) beachten, dass die Einheitlichkeit der Erfindung nach Art. 82 EPÜ "eine bloße Ordnungsvorschrift" ist (G 1/91, ABl. 1992, 253), und sich an die Empfehlung in den Richtlinien halten, wonach "mangelnde Einheitlichkeit in späteren Verfahren kein Einspruchs- und Nichtigkeitsgrund ist. Daher ist zwar auf jeden Fall in klaren Fällen ein Einwand vorzubringen und eine Änderung zu verlangen, als Folge einer zu engen, zu wörtlichen oder theoretischen Auslegung sollte aber kein Einwand erhoben oder unnachgiebig verfahren werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die mögliche Uneinheitlichkeit keine weitere Recherche erforderlich macht" (Richtlinien F‑V, 2.2 – Stand März 2022; vgl. Richtlinien F‑V, 8 – Stand November 2017, d. h. in der bei Ergehen der Entscheidung geltenden Fassung). Bei ihrer Entscheidung, zusätzliche Recherchengebühren zu fordern oder nicht, sollte die Recherchenabteilung also nicht rein algorithmisch vorgehen, sondern prüfen, ob es unter Berücksichtigung der Umstände des Falls und angesichts der bereits recherchierten Gegenstände und des ermittelten Stands der Technik angemessen ist, zusätzliche Gebühren zu erheben, um die Recherche auf die verbleibenden Ansprüche auszudehnen.