1.2. Nach Regel 144 EPÜ von der Einsicht ausgeschlossene Aktenteile
In T 2522/10 vom 28. Januar 2014 date: 2014-01-28 hielt die Kammer fest, dass der Maßstab für die Prüfung, ob etwas von der Akteneinsicht ausgeschlossen wird oder nicht, klar und eindeutig sei: würde das fragliche Schriftstück dem Zweck dienen, die Öffentlichkeit über das Patent bzw. die Patentanmeldung zu unterrichten? Die Antwort auf diese Frage hängt vom jeweiligen Einzelfall ab, doch wenn sie "ja" lautet, kommt ein Ausschluss nicht infrage, und die Sache muss nicht weiter geprüft werden. Lautet die Antwort "nein", so ist eine weitere Frage zu prüfen, nämlich ob die Akteneinsicht schutzwürdige persönliche oder wirtschaftliche Interessen von natürlichen oder juristischen Personen beeinträchtigen würde.
In T 379/01 betonte die Kammer, dass die Bestimmungen über den Ausschluss von Dokumenten von der Akteneinsicht (R. 93 EPÜ 1973; Beschluss des Präsidenten des EPA vom 7. September 2001, ABl. 2001, 458) Ausnahmen vom Grundsatz der öffentlichen Einsichtnahme in die Akten nach Art. 128 (4) EPÜ 1973 regeln und daher eng auszulegen sind. Die Kammer kam zu dem Schluss, dass eine rein abstrakte Beeinträchtigung hypothetischer persönlicher oder wirtschaftlicher Interessen keinen hinreichenden Ausschlussgrund darstellt. Der Antragsteller müsse vielmehr nachweisen, dass der öffentliche Zugriff auf bestimmte Unterlagen spezifische und konkrete persönliche oder wirtschaftliche Interessen beeinträchtigen würde. Bezug nehmend darauf äußerte die Kammer in der Entscheidung T 1401/05 vom 20. September 2006 date: 2006-09-20 ferner die Auffassung, dass Dokumente, die keine Informationen über Patentanmeldungen oder Patente enthielten, in der Regel von der Akteneinsicht ausgeschlossen würden, was dem damals geltenden Beschluss des Präsidenten des EPA vom 7. September 2001 über von der Akteneinsicht ausgeschlossene Unterlagen entsprach (ABl. 2001, 458). Solche Dokumente dienten nicht dem Hauptzweck einer solchen Einsichtnahme, nämlich Zugang zu Patentinformation zu erhalten, auf die die Öffentlichkeit im Austausch für die durch Patente verliehenen ausschließlichen Monopolrechte Anspruch habe.
In T 851/18 vom 12. April 2019 date: 2019-04-12 entschied die Kammer, dass der Antrag auf Ausschluss von Dokumenten von der Akteneinsicht nur insoweit Erfolg hat, als der Beschwerdeführer (Patentinhaber) hilfsweise beantragt hatte, diese Dokumente lediglich in anonymisierter Form zur Akteneinsicht bereitzustellen. Die Kammer stellte allerdings klar, dass sich der Beschwerdeführer insoweit nicht mit Erfolg auf die Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union (DSGVO) berufen konnte, da diese für die Europäische Patentorganisation nicht bindend sei. Vielmehr galten der Kammer zufolge die Richtlinien für den Schutz personenbezogener Daten im Europäischen Patentamt vom 1. April 2014 und ergänzend Art. 1 (2) a) des Beschlusses der Präsidentin des EPA vom 12. Juli 2007 über von der Akteneinsicht ausgeschlossene Unterlagen (ABl. SA 3/2007, 125) sowie die diesem Beschluss zugrunde liegenden Regelungen in Art. 128 (4) und R. 144 d) EPÜ.
In T 2893/18 befand die Kammer, dass die Übermittlung der angefochtenen Dokumente an die anderen Einsprechenden nicht im Widerspruch zu deren vorläufigem Ausschluss von der Akteneinsicht stand. Die Einspruchsabteilung hatte die angefochtenen Dokumente zumindest vorläufig von der Akteneinsicht ausgeschlossen – gemäß dem Beschluss der Präsidentin des EPA vom 12. Juli 2007 (ABl. SA 3/2007, 125) – und ihre Relevanz für die Zulassung zum Verfahren, ihre öffentliche Zugänglichkeit und ihre konkrete Bedeutung für die Patentierbarkeit des angefochtenen Patents geprüft, bevor sie schließlich über die Frage der öffentlichen Akteneinsicht entschied.