2.7. Kategoriewechsel
In T 426/89 (ABl. 1992, 172) richteten sich Anspruch 1 in der erteilten Fassung und Anspruch 1 des Hauptantrags auf ein Verfahren zum Betreiben eines Herzschrittmachers. Die Kammer stellte fest, dass ein tatsächliches Betriebsverfahren eines Herzschrittmachers zum Beenden einer Tachykardie zwangsläufig ein Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen (oder tierischen) Körpers mittels eines Herzschrittmachers wäre und somit von der Patentfähigkeit ausgeschlossen wäre. Die Kammer stimmte mit dem Patentinhaber darin überein, dass der Anspruch die Schritte eines technischen Verfahrens angebe, die kein Behandlungsverfahren, sondern vielmehr die konstruktiven Merkmale eines Herzschrittmachers in funktioneller Weise definierten. Allerdings befand die Kammer, dass der Anspruch gegen Art. 84 EPÜ 1973 verstieß. Im Vergleich zu den Patentunterlagen in der erteilten Fassung wurde das Patent gemäß Hilfsantrag insofern geändert, als im Anspruch 1 die Formulierung "Verfahren zum Betreiben eines Herzschrittmachers" durch "Herzschrittmacher" ersetzt wurde. Nach Auffassung der Kammer war der erteilte Anspruch 1 bereits ein Sachanspruch mit funktioneller Definition eines Herzschrittmachers. Daher änderte der nur scheinbare Kategoriewechsel nicht den Inhalt des Anspruchs, sondern stellte ihn lediglich klar (s. auch T 378/86, ABl. 1988, 386).
In T 82/93 (ABl. 1996, 274) betraf Anspruch 1 in der erteilten Fassung ein Verfahren zum Betreiben eines Herzschrittmachers. Die Kammer befand, dass dieser Anspruch ein Verfahren zur therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers definiere und deshalb nach Art. 52 (4) EPÜ 1973 nicht gewährbar sei. Der hilfsweise beantragte Erzeugnisanspruch sei nach Art. 123 (3) EPÜ 1973 nicht gewährbar. Bei dem durch den erteilten Anspruch geschützten Gegenstand handle es sich um einen in Gebrauch befindlichen Herzschrittmacher; der Anspruch des Hilfsantrags umfasse dagegen lediglich technische Merkmale, die die physikalischen Eigenschaften des Schrittmachers selbst festlegten. Wenn ein Patent in der erteilten Fassung nur Ansprüche enthalte, die den Betrieb einer Vorrichtung festlegten und deshalb sowohl "Vorrichtungs- als auch Verfahrensmerkmale" aufweise, und die im Einspruchsverfahren vorgeschlagene Fassung des Patents nur noch Ansprüche mit "Vorrichtungsmerkmalen" umfasse, so sei die vorgeschlagene Änderung nach Art. 123 (3) EPÜ 1973 nicht zulässig, weil das Patent in der erteilten Fassung nur dann Schutz für die Vorrichtung gewähre, wenn diese in Gebrauch befindlich sei und das Verfahren ausführe, während das Patent in der vorgeschlagenen geänderten Fassung dem Gerät unabhängig davon, ob es in Gebrauch befindlich sei, Schutz verleihen würde und der Schutzbereich somit gegenüber dem Patent in der erteilten Fassung erweitert wäre. Anders als in T 426/89 kam die Kammer in der vorliegenden Sache zu dem Ergebnis, dass Anspruch 1 in der erteilten Fassung eindeutig sei, dass er die Verwendung einer Vorrichtung zur Ausführung eines Verfahrens zur therapeutischen Behandlung des menschlichen Körpers definiere und dass er kein reiner "Vorrichtungsanspruch" sei, da er auch Verfahrensschritte umfasse. Unter diesen Umständen könnten Art. 52 (4) und Art. 123 (3) EPÜ 1973 in Verbindung miteinander eine "unentrinnbare Falle" bilden.
Auch T 1830/14 betraf die Umwandlung eines erteilten Verfahrensanspruchs in einen Vorrichtungsanspruch. Die Kammer verwies darauf, dass ein auf eine Vorrichtung gerichteter Anspruch absoluten Schutz für die definierte Vorrichtung gewährt und der Schutzumfang somit breiter ist als der eines Anspruchs, der auf ein Verfahren zur Herstellung oder auf eine Verwendung dieser Vorrichtung gerichtet ist. Im vorliegenden Fall war im Vorrichtungsanspruch des Hauptantrags gegenüber der im erteilten Anspruch 1 definierten Kühlvorrichtung ein Merkmal gestrichen worden. Nach Auffassung des Beschwerdeführers definierte der erteilte unabhängige Verfahrensanspruch 9 eine Kühlvorrichtung ohne das gestrichene Merkmal, sodass die Streichung des Merkmals den Schutzbereich nicht erweiterte. Die Kammer entschied jedoch mit Verweis auf die in T 82/93 (ABl. 1996, 274) aufgestellten Grundsätze, dass im vorliegenden Fall in Anspruch 1 des Hauptantrags zwei Merkmale fehlten, die den Betrieb der Kühlvorrichtung gemäß dem erteilten Anspruch 9 definierten. Der durch den erteilten Anspruch 9 gewährte Schutz für die definierte Kühlvorrichtung beschränkte sich auf die Vorrichtung, wenn diese gemäß den fehlenden Merkmalen Wärme transferiert, d. h. in Betrieb ist. Der strittige Anspruch 1 definierte dieselbe Kühlvorrichtung wie der erteilte Anspruch 9, gewährte ihr jedoch absoluten Schutz unabhängig davon, ob sie in Betrieb ist oder nicht. Sein Schutzbereich war also breiter als der des erteilten Anspruchs 9, womit der Hauptantrag nicht die Erfordernisse des Art. 123 (3) EPÜ erfüllte. Die Kammer gab dem Hilfsantrag IV statt, da der Vorrichtungsanspruch hier auch die Merkmale enthielt, die den Betrieb der Vorrichtung definierten.