9.3. Kombinationserfindungen
Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit einer Kombinationserfindung ist die Frage zu stellen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen gerade für die beanspruchte Kombination gegeben hat oder nicht. Das Bekanntsein einzelner oder mehrerer Merkmale lässt keinen zuverlässigen Schluss auf das Naheliegen der Kombination zu (T 37/85, ABl. 1988, 86, T 656/93, T 666/93, T 1018/96). Es geht nicht darum, ob der Fachmann, der allerdings Zugang zum gesamten Stand der Technik hat, eine erfindungsgemäße Kombination hätte machen können, sondern darum, ob er dies in Erwartung einer Verbesserung auch getan hätte (T 2/83, ABl. 1984, 265; T 713/93; T 223/94; T 406/98). Allein entscheidend ist also die Frage, ob der Stand der Technik Anregungen enthält, die dem Fachmann gerade die Gesamtkombination aller (möglicherweise für sich bekannten) Merkmale nahelegt. Andernfalls wäre es gar nicht möglich, dass eine Kombination ausschließlich aus bekannten Einzelmerkmalen auf erfinderischer Tätigkeit beruhen könnte (T 37/85, ABl. 1988, 86; T 388/89; T 717/90; T 869/96).
Von der Kombinationserfindung ist die bloße Aggregation von Merkmalen zu unterscheiden.
Damit eine Kombinationserfindung vorliegt, müssen die Merkmale bzw. Merkmalsgruppen in einer funktionellen Wechselwirkung zueinander stehen bzw. einen über die Summe ihrer Einzelwirkungen hinausgehenden kombinatorischen Effekt aufweisen. In T 1054/05 stellte die Kammer fest, dass zwei Merkmale synergetisch zusammenwirken, wenn zwischen ihren Funktionen ein Zusammenhang besteht und dies zu einer zusätzlichen Wirkung führt, die über die Summe der Einzelwirkungen der Merkmale hinausgeht. Es ist nicht ausreichend, wenn die Merkmale lediglich dieselbe technische Aufgabe lösen oder gleichartige Wirkungen haben, die sich zu einer verstärkten, aber ansonsten unveränderten Wirkung summieren (s. auch T 926/11 wonach keine synergetische Wirkung zwischen den Merkmalsgruppen bestand). S. auch dieses Kapitel I.D.9.2.2.
In T 406/98 befand die Beschwerdekammer, dass speziell bei Vorliegen einer großen Anzahl von Entgegenhaltungen regelmäßig die Frage zu stellen ist, warum der Fachmann Druckschriften in spezifischer Kombination berücksichtigen würde und ob es für ihn ohne Kenntnis der Erfindung einen Anreiz hierfür gab oder nicht. In der vorliegenden Sache bedurfte es einer gezielten Auswahl aus der Vielzahl der Entgegenhaltungen, um die gestellte Aufgabe vollständig zu lösen.
In T 55/93 ließ die Kammer das Argument des Beschwerdeführers nicht gelten, wonach die angebliche Erfindung als reine Aneinanderreihung von Lösungen zweier unabhängiger, nicht miteinander verbundener Teilaufgaben anzusehen sei. Diese Argumentation wäre nur dann stichhaltig, wenn die primäre und allgemeinere Aufgabe bereits aus dem Stand der Technik bekannt und dort bereits gelöst wäre. Die Kammer stellte nicht nur fest, dass in dem betreffenden Fall die dem Streitpatent zugrunde liegende primäre Aufgabe dem Stand der Technik weder entnommen noch daraus abgeleitet werden könne, sondern auch, dass die beanspruchten Merkmale sich gegenseitig ergänzten. Sie seien funktionell miteinander verbunden, was ja gerade eine Kombinationserfindung ausmache. Bei einer Kombinationserfindung sei es unerheblich, ob alle Merkmale als solche bereits einzeln bekannt waren (T 37/85, ABl. 1988, 86). Es sei falsch, ausgehend von mehreren zu lösenden Teilaufgaben die in der Gerätekombination jeweils verwendeten Konstruktionsmittel oder die in Funktionsmerkmalen ausgedrückten Verfahrensschritte herauszugreifen, die in ihrem Zusammenwirken die Aufgabe als Ganzes lösten. Der erfinderische Charakter eines Kombinationsanspruchs liege in der gleichzeitigen Anwendung aller seiner Merkmale (T 175/84, ABl. 1989, 71). Auch in den Entscheidungen T 120/88, T 731/94, T 434/95, T 897/95, T 1201/13 wurde das Vorliegen einer Kombinationserfindung bejaht.