3.1. Pflanzen und Pflanzensorten
Die Große Beschwerdekammer kam in G 1/98 zu dem Schluss, dass ein Anspruch, in dem bestimmte Pflanzensorten nicht individuell beansprucht werden, nicht nach Art. 53 b) EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen ist, auch wenn er möglicherweise Pflanzensorten umfasst. Die Kammer befand, dass Art. 53 b) EPÜ 1973 die Grenze zwischen Patentschutz und Sortenschutz bestimme. Der Umfang des Ausschlusses von der Patentierung sei das Gegenstück zur Verfügbarkeit von Sortenschutz. Da Sortenschutzrechte nur für konkrete Pflanzensorten erteilt würden, aber nicht für technische Lehren, die in einer unbestimmten Vielzahl von Pflanzensorten verwirklicht werden könnten, komme ein Ausschluss vom Patentschutz nach Art. 53 b) EPÜ 1973 nicht schon dann zum Tragen, wenn eine oder mehrere Pflanzensorten unter die Ansprüche fielen oder fallen könnten (s. auch T 475/01).
Weiter stellte die Kammer fest, dass in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung, wonach sich der Schutz eines Verfahrenspatents auf die unmittelbaren Verfahrenserzeugnisse erstreckt, auch wenn diese per se nicht patentierbar sind (s. unter Kapitel II.A.7.1.), Art. 64 (2) EPÜ 1973 bei der Prüfung eines Anspruchs für ein Verfahren zur Züchtung einer Pflanzensorte nicht zu berücksichtigen ist.
Schließlich entschied die Kammer, dass das Patentierungsverbot des Art. 53 b) EPÜ 1973 Halbsatz 1 EPÜ 1973 für Pflanzensorten unabhängig davon gilt, auf welche Weise sie erzeugt wurden. Daher sind Pflanzensorten, in denen Gene vorhanden sind, die mittels der rekombinanten Gentechnik in eine Elternpflanze eingebracht wurden, vom Patentschutz ausgeschlossen. Begründet wurde dies damit, dass der Ausschluss in Art. 53 b) EPÜ 1973 dazu geschaffen worden sei, Gegenstände von der Patentierbarkeit auszuschließen, für die Sortenschutz erlangt werden könne. Es spiele für die Erfordernisse nach dem UPOV-Übereinkommen oder nach der Verordnung über den Sortenschutz keine Rolle, ob eine Pflanzensorte durch herkömmliche Züchtungsverfahren oder gentechnische Verfahren gewonnen wurde. Das Argument, die Verfasser des Übereinkommens hätten die Möglichkeit genetisch veränderter Pflanzensorten nicht vorhergesehen und daher nicht die Absicht haben können, sie von der Patentierbarkeit auszuschließen, könne nicht akzeptiert werden. Die Anwendung von Gesetzen sei nicht auf diejenigen Fälle beschränkt, die dem Gesetzgeber bekannt sind.