5.5. Berichtigungen nach Regel 139 EPÜ
Dieser Abschnitt wurde aktualisiert, um die Rechtsprechung und Gesetzänderungen bis 31. Dezember 2023 zu berücksichtigen. Die vorherige Version dieses Abschnitts finden Sie in "Rechtsprechung der Beschwerdekammern", 10. Auflage (PDF). |
R. 139 Satz 2 EPÜ (früher R. 88 Satz 2 EPÜ 1973) macht die Zulassung eines Berichtigungsantrags, der die Beschreibung, die Ansprüche oder die Zeichnungen betrifft, davon abhängig, dass sofort erkennbar sein muss, dass nichts anderes beabsichtigt sein konnte als das, was als Berichtigung vorgeschlagen wird. Dies erfordert oft eine technische Überprüfung des Sachverhalts, sodass sich die Frage nach R. 88 EPÜ 1973 stellt, ob die Eingangsstelle für die Berichtigung zuständig ist.
Bereits in J 4/85 (ABl. 1986, 205) war klargestellt worden, dass die technische Prüfung der Akte nicht zum Aufgabenbereich der Eingangsstelle gehört; sie darf daher nicht über einen Berichtigungsantrag entscheiden, der eine solche Prüfung erforderlich macht, sondern muss diese Entscheidung aussetzen, bis die Akte an die Prüfungsabteilung weitergeleitet worden ist (so auch J 5/12).
In J 33/89 (ABl. 1991, 288) wurde allerdings darauf hingewiesen, dass die Eingangsstelle weiterhin für die Entscheidung über einen die Zeichnungen betreffenden Berichtigungsantrag nach R. 88 Satz 2 EPÜ 1973 zuständig ist, wenn dieser Antrag keine technische Prüfung erfordert. In J 12/14 folgte die Juristische Beschwerdekammer dieser Auffassung und entschied, dass die Frage, welche technischen Merkmale die Abbildungen der Zeichnungen in Bezug auf die beanspruchte Erfindung zeigen, nicht Gegenstand der Formalprüfung im Verfahren vor der Eingangsstelle ist.
In J 3/21 stellte die Juristische Beschwerdekammer fest, dass die Eingangsstelle ihre Zuständigkeit nicht überschritten habe (Art. 16 i. V. m. R. 10 (1) EPÜ), als sie über den Antrag der Anmelder entschied, die auf Chinesisch eingereichte Beschreibung der Europäischen Patentanmeldung im Wege der Ersetzung durch am selben Tag eingereichte englische Übersetzung zu berichtigen. Das Verbot solcher Berichtigungen sei kategorisch. Ein Austausch im Wege der Berichtigung würde unmittelbar die Trennung von Anmeldetag und Beschreibung bewirken, was nach Art. 123 (2) EPÜ unzulässig sei. Die Zurückweisung eines solchen Berichtigungsantrags erfordere keine technische Prüfung und keine technischen Qualifikationen.
In J 5/01 wurde entschieden, dass der Wortlaut von Art. 16 und 18 EPÜ 1973 nicht dahin gehend ausgelegt werden kann, dass die Zuständigkeit für eine europäische Patentanmeldung zwischen Eingangsstelle und Prüfungsabteilung aufgeteilt werden kann. Die eindeutige und ausschließliche Zuständigkeitszuweisung im EPÜ sei gegenüber Erwägungen der Verfahrensökonomie oder der Kostenersparnis maßgeblich (so auch T 2411/10; anders noch J 8/82, ABl. 1984, 155). Auf den Zeitpunkt der Einreichung eines Berichtigungsantrags abzustellen, anstatt auf die beiden in Art. 16 EPÜ 1973 genannten Handlungen (Prüfungsantrag oder Erklärung gemäß Art. 96 (1) EPÜ 1973), würde dem EPÜ 1973 widersprechen. Die Juristische Beschwerdekammer wies darauf hin, dass Berichtigungen nach R. 88 EPÜ 1973 nicht zwangsläufig im Zuge der Eingangsprüfung bzw. der Formalprüfung stattzufinden haben (Art. 90 und 91 EPÜ 1973). Der Wunsch nach einer Berichtigung oder deren Notwendigkeit könne sich vielmehr während des gesamten Erteilungsverfahrens und sogar danach ergeben, z. B. im Laufe des Einspruchsverfahrens. Zu Berichtigungen, die eine technische Prüfung erfordern, s. J 4/85, ABl. 1986, 205.