2.4.1 Zeugenaussagen
Zeugen dienen dazu, die Tatsachen, zu denen sie vernommen werden, zu erhärten (T 543/95) und nicht Lücken in den vom Beteiligten geltend gemachten Tatsachen zu füllen (T 374/02; dieser Grundsatz wurde in letzter Zeit z. B. in T 1100/07, T 1028/11 und T 2054/11 bekräftigt). Der Beteiligte muss daher die rechtserheblichen Tatsachen angeben, die durch die beantragte Zeugenvernehmung bewiesen werden sollen (T 374/02). Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung gilt auch für die Vernehmung von Zeugen nach Artikel 117 (1) d) EPÜ (T 482/89, ABl. 1992, 646).
Das EPÜ verlangt für die von einem Beteiligten gewünschte Vernehmung von Zeugen eindeutige Anträge, da die zuständige Abteilung des EPA eine entsprechende Entscheidung erlassen muss (s. Art. 117 (1) d) und R. 72 (1) EPÜ 1973). Die Kammer in der Sache T 374/02 befand, dass im "impliziten Zeugenangebot" kein Sachverhalt benannt war, der die Kammer davon hätte überzeugen sollen, die aktenkundigen Beweismittel abweichend zu beurteilen. Zeugen dienten dazu, Tatsachen zu erhärten und nicht Lücken in den vorgebrachten Tatsachen und Argumenten zu füllen. Die fehlende Angabe der rechtserheblichen Tatsachen, die durch die Aussagen der drei genannten Personen bewiesen werden sollten, führte dazu, dass die erforderlichen Bedingungen für eine Zeugenvernehmung hier nicht vorlagen (andere Beispiele: T 2054/11; T 703/12, allgemeine Bezugnahme auf das Vorbringen eines Beteiligten im Einspruchsverfahren; T 1570/14, impliziter Antrag und Voraussetzungen von Art. 12 (2) VOBK 2007). S. auch die nachstehend behandelte Sache T 1028/11 zur – berechtigten – Zurückweisung des Antrags, den vorgeschlagenen Zeugen zu vernehmen, und zur angeblichen Verletzung des rechtlichen Gehörs; T 30/12 zur Zurückweisung des Antrags auf erneute Vernehmung des Zeugen.
Zusätzliche Erläuterungen, die ein Zeuge abgegeben hat, um eine potenzielle Lücke bei den aktenkundigen schriftlichen Beweismitteln zu schließen, können nicht per se als neue Tatsachen betrachtet werden; anderenfalls wäre die Anhörung eines Zeugen bedeutungslos (T 2565/11, T 660/16).
In T 1363/14 sowie in T 2238/15 befand die Kammer hinsichtlich einer behaupteten Vorbenutzung, dass die Einspruchsabteilung die Zeugenvernehmung hätte anordnen müssen, die der Einsprechende zum Beweis der von ihm im Detail in seinem Einspruchsschriftsatz vorgetragenen Tatsachen beantragt hatte (vgl. auch T 1553/07 und Kapitel IV.C.2.2.8 i) "Behauptete offenkundige Vorbenutzung").