5.3. Ablehnungsgründe nach Artikel 24 (3) EPÜ
Die Mitglieder der Kammern können von jedem Beteiligten aus einem der in Art. 24 (1) EPÜ genannten Gründe oder wegen Besorgnis der Befangenheit (Art. 24 (3) EPÜ) abgelehnt werden. Zu den Ablehnungsgründen nach Art. 24 (1) EPÜ siehe Kapitel III.J.5.1 und zum "subjektiven" und "objektiven" Befangenheitstest siehe Kapitel III.J.1.5.
In T 261/88 vom 16. Februar 1993 date: 1993-02-16 stellte die Kammer fest, dass eine den Ausschluss rechtfertigende Befangenheit voraussetzt, dass eine an der Entscheidung mitwirkende Person einem Beteiligten gegenüber voreingenommen ist. Eine solche Situation ist nur dann gegeben, wenn das Votum einer Person (z. B. eines Richters), deren Entscheidungen die Rechte der Beteiligten berühren, durch ihre Einstellung zu einem Beteiligten beeinflusst wird. Eine Person kann aber nicht ausgeschlossen werden, weil sie in einer Frage einer bestimmten Meinung zuneigt oder eine bestimmte Haltung vertritt (s. auch T 843/91 vom 17. März 1993 date: 1993-03-17 und T 1028/96 date: 1999-09-15, ABl. 2000, 475).
In T 843/91 vom 17. März 1993 date: 1993-03-17 pflichtete die Kammer der in T 261/88 date: 1993-02-16 vertretenen Auffassung bei, dass eine den Ausschluss rechtfertigende Befangenheit voraussetzt, dass ein an der Entscheidung mitwirkendes Kammermitglied einem Beteiligten gegenüber voreingenommen ist. Genauer ausgedrückt: Befangenheit liegt nach Ansicht der Kammer dann vor, wenn eine Partei bewusst begünstigt wird, indem ihr Rechte eingeräumt werden, die ihr nicht zustehen, oder wenn die Rechte der anderen Partei absichtlich missachtet werden (s. auch T 954/98 vom 9. Dezember 1999 date: 1999-12-09). Die Frage, ob eine Ablehnung von Mitgliedern wegen Besorgnis der Befangenheit gerechtfertigt ist, lässt sich nur unter Berücksichtigung der Sachlage im Einzelfall beantworten (s. G 5/91). Daher können Mängel, Fehlverhalten oder Verfahrensfehler, so schwerwiegend sie auch sein mögen, eine Ablehnung wegen Befangenheit nicht begründen, soweit sie nicht auf Voreingenommenheit oder Vorsatz zurückzuführen sind (s. auch T 1257/14 vom 5. Februar 2018 date: 2018-02-05).
In T 792/12 behauptete der Beschwerdeführer, die Kammer wolle sein Vorbringen nicht anhören und sei anscheinend befangen, denn sie habe ihn mehrfach unterbrochen. Die Kammer wies diese Behauptung zurück und nahm Bezug auf Art. 15 (4) VOBK 2007, wonach der Vorsitzende die mündliche Verhandlung leitet und ihre faire, ordnungsgemäße und effiziente Durchführung sicherstellt. Ein Vorsitzender darf das Vorbringen eines Beteiligten unterbrechen, um die effiziente Durchführung der Verhandlung sicherzustellen und insbesondere die Wiederholung von Argumenten durch einen Beteiligten zu verhindern. Ebenso darf ein Vorsitzender und jedes andere Kammermitglied ihn unterbrechen, um Fragen zu stellen, die beispielsweise als wichtig für die Entscheidungsfindung erachtet werden.
- T 1493/20
Orientierungssatz: Siehe Gründe 2
- Sammlung 2023 “Abstracts of decisions”
- Jahresbericht: Rechtsprechung 2022
- Zusammenfassungen der Entscheidungen in der Verfahrensprache