4. Bestimmung der Offenbarung des einschlägigen Stands der Technik
In T 59/87 date: 1990-08-14 (ABl. 1991, 561) behauptete der Beschwerdegegner, dass ein bestimmtes Dokument die beanspruchte Erfindung inhärent offenbare und damit neuheitsschädlich sei. Die Kammer wies allerdings darauf hin, dass in G 2/88 (ABl. 1990, 93, Korr. 469) betont worden sei, dass es darum gehe, zu entscheiden, was der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei, und nicht, was in dem der Öffentlichkeit zugänglich Gemachten inhärent enthalten gewesen sein möge. Außerdem müsse bei der Abwägung, inwieweit die Lehre in einer schriftlichen Beschreibung der Öffentlichkeit das zwangsläufige Ergebnis der Ausführung dieser Lehre ebenfalls zugänglich macht, in jedem einzelnen Fall "genau unterschieden werden zwischen dem, was tatsächlich zugänglich gemacht worden ist, und dem, was verborgen geblieben oder sonst wie nicht zugänglich gemacht worden ist". Ob eine vorher nicht offenbarte technische Wirkung, die zwangsläufig eintritt, wenn eine zuvor in einer schriftlichen Beschreibung offenbarte technische Lehre ausgeführt wird, der Öffentlichkeit durch diese Lehre zugänglich gemacht worden ist, ist daher nach Meinung der Kammer eine Tatfrage, die im Kontext des Einzelfalles zu entscheiden ist.
In der Stellungnahme G 1/92 (ABl. 1993, 277) wird außerdem klargestellt, dass ein Produkt, das im Handel erhältlich ist, an sich nichts offenbart, was über seine Zusammensetzung oder innere Struktur hinausgeht. Andere Merkmale, die sich nur zeigen, wenn das Erzeugnis in Wechselwirkung mit gezielt gewählten äußeren Bedingungen gebracht wird, um eine bestimmte Wirkung oder ein bestimmtes Ergebnis herbeizuführen oder mögliche Ergebnisse oder Fähigkeiten zu entdecken, weisen daher über das Erzeugnis als solches hinaus, weil sie von bewussten Auswahlentscheidungen abhängen, und können daher nicht als der Öffentlichkeit bereits zugänglich gemacht gelten.
Im Anschluss an diese Entscheidung vertrat die Kammer in T 977/93 (ABl. 2001, 84) die Auffassung, dass ein der Öffentlichkeit zugänglich gemachtes Erzeugnis nicht reproduzierbar im Sinne der Entscheidung G 1/92 ist und folglich nicht zum Stand der Technik gehört, wenn der Fachmann nicht feststellen kann, ob das reproduzierte Erzeugnis mit dem Handelsprodukt identisch ist, weil die inhärenten und sonstigen Merkmale des Erzeugnisses sich ihm nicht erschließen und sich bei der Reproduktion mit hoher Wahrscheinlichkeit Abweichungen ergeben würden.