6.1. Vorlageverfahren nach Artikel 112 EPÜ
In G 1/05 date: 2006-12-07 (ABl. 2007, 362) wurde ein Mitglied der Großen Beschwerdekammer abgelehnt, weil es Vorsitzender einer Technischen Beschwerdekammer gewesen war, die eine frühere Entscheidung zu der nun der Großen Beschwerdekammer vorgelegten Rechtsfrage erlassen hatte. Die Große Beschwerdekammer stellte fest: Sofern die Mitwirkung eines Mitglieds der Großen Beschwerdekammer, das mit der betreffenden Thematik bereits als Beschwerdekammermitglied befasst war, an einer Sache nach den einschlägigen Vorschriften (Art. 1 (2) VOGBK und Art. 2 (3) des Geschäftsverteilungsplans der Großen Beschwerdekammer) nicht ausgeschlossen ist, kann eine Ablehnung wegen Befangenheit nicht allein auf diesen Sachverhalt gestützt werden (s. auch G 2/08 vom 15. Juni 2009 date: 2009-06-15 und R 12/09 vom 3. Dezember 2009 date: 2009-12-03). Vielmehr kann auch – sofern nicht konkrete Umstände an der Fähigkeit eines Mitglieds zweifeln lassen, die Vorbringen der Beteiligten zu einem späteren Zeitpunkt unvoreingenommen zu bewerten – keine bei objektiver Betrachtung gerechtfertigte, d. h. keine begründete, Besorgnis der Befangenheit eines Mitglieds der Großen Beschwerdekammer vorliegen. Im Übrigen wenn all ihre Mitglieder, die einmal an einer Beschwerdekammerentscheidung mitgewirkt haben, in der zu einer Rechtsfrage Stellung genommen wurde, die später der Großen Beschwerdekammer vorgelegt wird, von der Mitwirkung an dieser Entscheidung ausgeschlossen werden müssten, könnte es sich als unmöglich erweisen, die Große Beschwerdekammer mit der für das Verfahren erforderlichen Zahl von Mitgliedern zu besetzen. Die Große Beschwerdekammer hat festgestellt, dass der Fall anders gelagert sein könnte, wenn der geäußerte Standpunkt so fehlerhaft wäre, dass Grund zu der Annahme bestünde, diese Fehler seien durch eine Voreingenommenheit bedingt. Etwas anderes würde auch gelten, wenn sich ein Kammermitglied zu einer Sache, die unter seiner Mitwirkung zu entscheiden ist, innerhalb oder außerhalb des Verfahrens so kategorisch, unmäßig oder unausgewogen geäußert hätte, dass seine Fähigkeit, die von den Beteiligten vorgebrachten Argumente offen und unvoreingenommen zu prüfen und die ihm vorgelegten Fragen objektiv zu beurteilen, in Zweifel gezogen werden könnte.