5.2.2 Fälle, in denen die Beweislast umgekehrt wurde
In T 967/09 gelangte die Kammer zu der Überzeugung, dass der Einsprechende III die ernsthaften Zweifel, dass das Patent die in Anspruch 1 definierte Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbarte, dass der Fachmann sie ausführen konnte, durch nachprüfbare Tatsachen erhärtet hatte. Sie befand, dass der Beschwerdeführer (Patentinhaber) diese Zweifel nicht überzeugend ausgeräumt hatte, und entschied daher, dass der Beschwerdegegner (Einsprechende III) seine einschlägige Beweislast umgekehrt hatte. Das Patent enthielt also keine ausreichende Offenbarung in Bezug auf den Gegenstand des Anspruchs 1. In der Entscheidung T 1842/06 sind zahlreiche Aspekte des Beweisrechts in Bezug auf die Erfordernisse des Art. 83 EPÜ, insbesondere in mehrseitigen Verfahren, zusammengefasst. Außerdem erklärte die Kammer, dass die Prüfungsabteilung oder die Kammer, die den Vorwurf der unzureichenden Beschreibung erhebt, diesen Vorwurf auch belegen muss. Im Falle einer "revolutionären" Erfindung (die z. B. das Gedächtnis des Wassers betrifft) erscheint eine Umkehr der Beweislast gerechtfertigt, wenn die Anmeldung die Ausführbarkeit und die Reproduzierbarkeit der Erfindung nicht glaubhaft genug erscheinen lässt. Entsprechende Zweifel können beispielsweise durch die bloße Tatsache bedingt sein, dass eine technische Wirkung, die a priori den Gesetzen der Physik widerspricht, nicht ausreichend durch Versuchsergebnisse belegt ist.
In T 518/10 argumentierte der Beschwerdeführer (Patentinhaber), die Beweislast dafür, dass ein Extrakt, der die Verbindung (II) enthalte, aus aquatischer oder maritimer Biomasse, insbesondere Krill, gewonnen werden könne, gehe nicht an den Beschwerdeführer über. Im Streitpatent sei mindestens ein Weg beschrieben, um einen solchen Extrakt zu gewinnen. Die Extraktion der Verbindung (II) aus Krill widerspreche nicht den Gesetzen der Physik, wie von den Beschwerdegegnern (Einsprechenden) behauptet. Die Kammer war davon nicht überzeugt und erklärte, dass im vorliegenden Fall die Behauptung des Beschwerdeführers der vorherrschenden technischen Meinung entgegenstand. Die Beschwerdegegner wiesen nach, dass sich die Verbindung (II) nicht durch Anwendung des im Patent beschriebenen allgemeinen Verfahrens herstellen ließ. Durch ihre Versuchsberichte wiesen die Beschwerdegegner überzeugend nach, dass es durch Anwendung des im Streitpatent beschriebenen Extraktionsverfahrens für den Fachmann nicht möglich war, den beanspruchten Extrakt, der die Verbindung (II) enthält, zu gewinnen. Da diese Tatsache weder durch die vom Beschwerdeführer eingereichten Dokumente widerlegt noch durch seine Gegenargumente entkräftet wurde, kam die Kammer zu dem Schluss, dass der Einspruchsgrund nach Art. 100 b) EPÜ festgestellt wurde.