5.5.2 Spät eingereichte Anträge
Gemäß einem von den Kammern häufig angewandten Ansatz lag es im Ermessen der Kammer nach Art. 13 (1) VOBK 2007, einen Antrag nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung zuzulassen und zu berücksichtigen. Ein solcher Antrag konnte zugelassen werden, wenn (i) es stichhaltige Gründe für die Einreichung dieses Antrags in einem so fortgeschrittenen Stadium des Verfahrens gab (beispielsweise bei Änderungen, die durch Entwicklungen während des Verfahrens bedingt sind), (ii) der Hilfsantrag den durch die Beschwerdebegründung und die Erwiderung des Beschwerdegegners abgesteckten Diskussionsrahmen nicht ausdehnte, (iii) der Hilfsantrag eindeutig oder offensichtlich gewährbar war (d. h., für die Kammer musste ohne großen Ermittlungsaufwand sofort ersichtlich sein, dass die vorgenommenen Änderungen der aufgeworfenen Frage erfolgreich Rechnung trugen, ohne ihrerseits zu neuen Fragen Anlass zu geben) (s. insbesondere T 1634/09, T 484/07, T 447/09, T 2344/09, T 1925/10, T 416/12, T 419/12, T 1605/14 und T 385/15; in T 416/12, T 419/12, T 385/15 nahmen die Kammer auch auf Art. 13 (3) VOBK 2007 Bezug). Die betreffenden Änderungen sollten es grundsätzlich ermöglichen, auf dieser Grundlage ein Patent zu erteilen (T 1748/08, T 2250/08).
Die Kammer in T 183/09 erklärte im Zusammenhang mit Art. 13 (1) und (3) VOBK 2007 (und mit Verweis insbesondere auf T 397/01), dass die Kammern bei der Ausübung ihres Ermessens, verspätet eingereichte Änderungen zuzulassen, die folgende Vorgehensweise entwickelt haben: Sofern eine Änderung nicht durch Entwicklungen im Beschwerdeverfahren gerechtfertigt ist – z. B. weil sie auf dort erstmals vorgebrachte Einwände oder Anmerkungen eingeht –, wird sie nur zugelassen, wenn sie den durch die angefochtene Entscheidung und die Beschwerdebegründung vorgegebenen Umfang oder Rahmen der Diskussion nicht erweitert und zudem eindeutig zulässig ist.
In T 81/03 wies die Kammer daraufhin, dass auch Anträge, die kurz vor der von ihr in der Ladung zur mündlichen Verhandlung gesetzten Mindestfrist eingereicht werden, als verspätet gelten müssen, wenn sie Punkte enthalten, die nur im Rahmen einer weiteren schriftlichen Phase ordnungsgemäß behandelt werden können. S. auch T 518/08.
In T 253/06 stellte die Kammer fest, dass nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsanträge in Einklang mit Art. 13 (3) VOBK 2007 auch dann als unzulässig angesehen werden können, wenn sie innerhalb einer gesetzten Frist eingereicht wurden, aber nicht substantiiert sind, d. h. nicht mit Erklärungen dazu versehen sind, was mit den vorgenommenen Änderungen bezweckt und wie damit den im Lauf des Verfahrens erhobenen Einwänden begegnet werden soll (T 2422/09, T 351/10, T 2497/10). Dies gilt umso mehr, wenn ein solcher unsubstantiierter Antrag erst kurz vor der mündlichen Verhandlung eingereicht wird. In dieser Hinsicht unterscheidet sich ein Ex-parte Verfahren nicht von einem Inter-partes Verfahren (T 1278/10).
In einem solch späten Stadium eingereichte geänderte Ansprüche sollten in dem Sinne eindeutig gewährbar sein, dass sich rasch feststellen lässt, dass sie alle noch offenen Fragen klären, ohne neue Fragen aufzuwerfen (T 1126/97, T 1993/07, T 183/09).
Auch in der Sache T 1443/05 wurde der zweite Hilfsantrag nach Art. 13 (3) VOBK 2007 nicht in das Verfahren zugelassen, da die Frage, ob dieser Hilfsantrag die Erfordernisse des Art. 123 (3) EPÜ 1973 erfüllt, infolge seiner späten Einreichung nicht ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung beurteilt werden konnte (s. auch T 1026/03, T 1305/05, T 455/06).