5.2. Begriff des technischen Charakters in der Rechtsprechung
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In T 931/95 stellte die Kammer fest, dass eine Vorrichtung zur Ausführung einer Tätigkeit, die als solche durch Art. 52 (2) und (3) EPÜ 1973 von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist, ihrerseits nicht vom Patentschutz ausgeschlossen sei. Insbesondere sei ein Anspruch auf einen Computer, in den ein Programm geladen wurde, nicht durch Art. 52 (2) EPÜ 1973 vom Patentschutz ausgeschlossen, auch wenn das Programm selbst ausgeschlossen wäre, d. h. wenn das Programm bei der Ausführung keinen "weiteren technischen Effekt" hervorruft (T 931/95, ABl. 2001, 441, s. auch G 3/08 date: 2010-05-12, ABl. 2011, 10).
Nach T 931/95 ist eine Vorrichtung, die als eine physikalische Entität oder ein konkretes Erzeugnis anzusehen ist, – auch wenn sie sich zur Ausführung oder Unterstützung einer wirtschaftlichen Tätigkeit eignet – eine Erfindung im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ 1973. Ferner hat nach Auffassung der Kammer ein Computersystem, das zur Verwendung auf einem bestimmten Gebiet, sei es im geschäftlichen oder wirtschaftlichen Bereich, geeignet programmiert ist, den Charakter einer konkreten Vorrichtung im Sinne einer physikalischen Entität, die für einen praktischen Zweck künstlich hergestellt wurde, und ist damit eine Erfindung im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ 1973. Die Unterscheidung hinsichtlich der Patentierbarkeit zwischen einem Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten und einer zur Durchführung eines solchen Verfahrens geeigneten Vorrichtung Dies finde seine Berechtigung im Wortlaut des Art. 52 (2) c) EPÜ 1973, wonach auf dem Gebiet der Wirtschaft und der geschäftlichen Tätigkeiten "Pläne, Regeln und Verfahren" ausdrücklich vom Patentschutz ausgeschlossene Kategorien sind; die Kategorie "Vorrichtung" im Sinne von "physikalischer Entität" oder "Erzeugnis" dagegen nicht . Sei also ein Anspruch auf eine solche Entität gerichtet, so würden durch die formale Kategorie des Anspruchs tatsächlich physikalische Merkmale des beanspruchten Gegenstands impliziert, die als technische Merkmale der betreffenden Erfindung in Frage kämen und somit für seine Patentierbarkeit relevant sein könnten. Eine Vorrichtung, die als eine physikalische Entität oder ein konkretes Erzeugnis anzusehen sei, sei – auch wenn sie sich zur Ausführung oder Unterstützung einer wirtschaftlichen Tätigkeit eigne – eine Erfindung im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ 1973.
In T 258/03 (ABl. 2004, 575) wich die Kammer von diesem differenzierenden Ansatz ab. Sie war nicht davon überzeugt, dass der Wortlaut des Art. 52 (2)c) EPÜ 1973, wonach "Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten" nicht als Erfindungen im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ 1973 angesehen werden, eine unterschiedliche Behandlung von Ansprüchen erfordere, je nachdem, ob diese auf Tätigkeiten oder auf Gegenstände zur Durchführung dieser Tätigkeiten gerichtet seien. Von Bedeutung sei hinsichtlich des Erfindungsbegriffs im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ 1973 das Vorliegen eines technischen Charakters, der durch die physikalischen Merkmale eines Gegenstands oder die Natur einer Tätigkeit impliziert oder einer nichttechnischen Tätigkeit durch die Verwendung technischer Mittel verliehen werden kann. Die Kammer war der Auffassung, dass die Vorrichtung eine Erfindung im Sinne des Art. 52 (1) EPÜ 1973 sei, weil sie eindeutig technische Merkmale wie "Server-Computer", "Client-Computer" und ein "Netz" aufweise. Diese Begründung sei von der Anspruchskategorie unabhängig.
In T 2258/10 vom 4. Oktober 2011 stellte die Kammer fest, dass jede Vorrichtung, bei der es sich um eine physische Entität oder ein konkretes Erzeugnis handelt, technischen Charakter hat. Ein Kochgefäß fällt eindeutig unter diese Definition und hat somit per se technischen Charakter.