2.6.4 Einführung von neuem Vorbringen
Inwiefern neues Vorbringen, das mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurde, berücksichtigt wird, steht im Ermessen der Beschwerdekammern nach Art. 12 (4) VOBK 2020, s. ausführlich dazu Kapitel V.A.3.2.2 "Vollständiges Beschwerdevorbringen der Beteiligten" und Kapitel V.A.4. "Neues Vorbringen im Beschwerdeverfahren – Rechtsprechung zur VOBK 2020".
In T 278/15 führte die Kammer aus, dass die einmal gegebene Zulässigkeit der Beschwerde nicht rückwirkend beseitigt werden kann, selbst wenn sie einen geänderten Antrag später in Ausübung ihres Ermessens vom Verfahren ausschließt. Die Zulässigkeit der Beschwerde ist daher auf der Grundlage aller vom Beschwerdeführer innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist eingereichten Unterlagen zu überprüfen, selbst wenn sie im weiteren Verlauf vom Verfahren ausgeschlossen werden sollten (vgl. Anmerkung zu Art. 12 (4) VOBK 2020, Zusatzpublikation 2, ABl. 2020).
In T 2270/17 führte die Kammer aus, dass es für die Frage, ob die Beschwerde hinreichend begründet wurde, unerheblich ist, dass es sich bei D7 und D8 um neue Dokumente handelte, die nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens waren. Eine Beschwerdebegründung kann nämlich auch dann zulässig sein, wenn sie sich im Zusammenhang mit einem bereits verfahrensgegenständlichen Einspruchsgrund auf neue Tatsachen und Beweismittel stützt, die geeignet wären, der angefochtenen Entscheidung die Grundlage zu entziehen. Die spätere, im Ermessen der Kammer stehende Entscheidung darüber, ob derartiges neues Vorbringen gemäß Art. 12 (4) VOBK 2007 vom Beschwerdeverfahren auszuschließen ist, hat insoweit keinen rückwirkenden Einfluss auf die Zulässigkeit der Beschwerde.
In T 501/09 war der Kammer bekannt, dass andere Beschwerdekammern entschieden hatten, dass eine auf ganz neue Beweismittel gestützte Beschwerde zulässig sein kann, wenn die Einspruchsgründe dieselben geblieben sind (s. T 1557/05). Dies bedeutet aber nicht unbedingt, dass die Kammer die neuen, erst im Beschwerdeverfahren vorgelegten Beweismittel nicht unberücksichtigt lassen kann (s. z. B. T 389/95). Werden diese neuen Beweismittel anschließend nicht zum Beschwerdeverfahren zugelassen, so bedeutet dies, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren nicht begründet ist.