3.2. Versuche zur Lösung des Konflikts
In T 166/90 (vor G 1/93, ABl. 1994, 541 entschieden) ließ es die Beschwerdekammer zu, ein im erteilten Anspruch enthaltenes unzulässiges Merkmal durch andere offenbarte Merkmale zu ersetzen, da der Schutzbereich dadurch nicht erweitert wurde. Die Erfindung betraf eine opake Folie. Der erteilte Sachanspruch enthielt das Merkmal "und dass die Dichte der Folie kleiner ist als die rechnerische Dichte aus Art und Anteil der Einzelkomponenten". Im Einspruchsbeschwerdeverfahren beanspruchte der Patentinhaber ein Verfahren zur Herstellung einer opaken Folie. Der Verfahrensanspruch enthielt das die Dichte betreffende Merkmal nicht mehr. Die Kammer prüfte, ob dadurch der Schutzbereich des Patents erweitert wurde, und stellte die Frage, ob die das gestrichene Merkmal ersetzenden Merkmale des Verfahrensanspruchs zwingend den Schutzbereich auf Folien beschränkten, die – ebenso wie die Folie gemäß dem erteilten Sachanspruch – eine unter der rechnerischen Dichte liegende Dichte aufwiesen. Die Kammer gelangte zu der Überzeugung, dass durch das nun beanspruchte Verfahren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine opake Folie erzeugt werde, deren Dichte kleiner sei als die rechnerische Dichte aus Art und Anteil der Einzelkomponenten.
In T 250/05 gelangte die Kammer, den in G 1/93 dargelegten Grundsätzen folgend, zu der Auffassung, dass das Patent nicht unverändert aufrechterhalten werden könne und dass sich das Patent nur dann aufrechterhalten lasse, wenn die eingereichte Fassung der Anmeldung eine Grundlage dafür biete, dass sich der betreffende Gegenstand ohne Verstoß gegen Art. 123 (3) EPÜ austauschen lasse. Der sechste Hilfsantrag genügte beiden Erfordernissen.
Wie in T 1127/16 ausgeführt (wo die Kammer die Möglichkeiten eines Entkommens aus der unentrinnbaren Falle zwischen Art. 123 (2) und (3) EPÜ zusammengefasst hat), kann ein hinzugefügtes, nicht offenbartes Merkmal, das eine Ausführungsart der Beschreibung umfasst, durch ein breiteres Merkmal ersetzt werden, das auch eine in der Beschreibung enthaltene weitere Ausführungsart abdeckt, wenn das nicht offenbarte Merkmal in seinem Kontext von der technischen Bedeutung her nicht so klar ist, dass es ohne Auslegung anhand der Beschreibung und der Zeichnungen des Patents zur Ermittlung des Schutzbereichs herangezogen werden könnte, und aus der Beschreibung und den Zeichnungen des Patents und auch aus dem Prüfungsverfahren bis zur Patenterteilung unverkennbar hervorgeht, dass die weitere Ausführungsart zur Erfindung gehört (T 371/88).
In den folgenden Fällen berief sich der Patentinhaber auf die in Leitsatz 1 von G 1/93 genannte Ausnahme, doch die Kammer erachtete die Ersetzung für nicht zulässig nach Art. 123 (3) EPÜ: T 729/11, T 108/12, T 1833/13 und T 469/14.