2.1. Einspruchsberechtigung
In G 3/97 und G 4/97 (ABl. 1999, 245 und 270) wurde ausgeführt, dass der Einspruch vom Gesetzgeber ausdrücklich als Popularrechtsbehelf ausgestaltet wurde, der nach Art. 99 (1) EPÜ "jedermann" offen steht.
Nach Auffassung der Großen Beschwerdekammer ist die Stellung als Einsprechender eine Verfahrensstellung, und wie sie begründet wird, ist Gegenstand des Verfahrensrechts. Dies ist in Art. 99 (1) EPÜ i. V. m. Art. 100 EPÜ, R. 76 und 77 (1) EPÜ (R. 55 und 56 (1) EPÜ 1973) niedergelegt. Daher ist Einsprechender derjenige, der die dort geregelten Voraussetzungen für die Einlegung eines Einspruchs erfüllt, insbesondere muss er identifizierbar sein (R. 76 (2) a) EPÜ, R. 41 (2) c) EPÜ; R. 55 a) EPÜ 1973; s. auch dieses Kapitel IV.C.2.2.4). Andere explizite formelle Anforderungen stellt das EPÜ an den Einsprechenden nicht. Wer die genannten Voraussetzungen erfüllt, wird Beteiligter am Einspruchsverfahren (Art. 99 (3) EPÜ; Art. 99 (4) EPÜ 1973).
Somit verlange das EPÜ kein eigenes Interesse des Einsprechenden am Ausgang des Einspruchsverfahrens. Bereits in G 1/84 (ABl. 1985, 299) befand die Große Beschwerdekammer, dass die Beweggründe des Einsprechenden im Prinzip unerheblich seien (andernfalls hätte man zweifelsohne anstelle des Wortes "jedermann" die Worte "jeder Betroffene" gesetzt), während seine Identität in erster Linie verfahrenstechnische Bedeutung habe (ähnlich T 635/88, ABl. 1993, 608 und T 590/93, ABl. 1995, 337). Im Anschluss an diese Rechtsprechung führte die Kammer in T 798/93 (ABl. 1997, 363) aus, dass das EPÜ und die darauf fußenden Bestimmungen die Einspruchsberechtigung nicht von bestimmten persönlichen Gegebenheiten oder von besonderen Interessen abhängig machen. Anträge, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, sind daher zurückzuweisen, wenn dem Einsprechenden – wie im vorliegenden Fall – entweder ein bestimmtes Faktum wie sein Beruf (zugelassener europäischer Vertreter) oder sein technisches Fachgebiet (anderes Gebiet als beim angefochtenen Patent) oder mangelndes Interesse (Erklärung des Einsprechenden, dass er sich nur fortbilden wolle) vorgehalten werden. Siehe auch die neuere Entscheidung T 1839/18, in der die Kammer befand, dass das aktuelle System, in dem jedermann ein Patent unabhängig von einem besonderen Interesse im Wege des Einspruchsverfahrens überprüfen lassen kann, in Einklang steht mit der Funktion von Patenten und dem Rechtssicherheitsbedürfnis der Öffentlichkeit sowie der Entfernung unverdienter oder unverdient breiter Monopole aus dem Register. Die Kammer stellte fest, dass die Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer in dieser Hinsicht einheitlich ist.
Nach T 353/95 kann nur eine existierende juristische oder natürliche Person Beteiligte am Einspruchsverfahren sein; Gleiches gilt im Beschwerdestadium, da Art. 107 Satz 1 EPÜ nichts anderes vorsieht (R. 66 (1) EPÜ 1973; R. 100 (1) EPÜ). Der Grundsatz, dass juristische Personen, die nicht existieren, kein Verfahren einleiten und nicht an einem Verfahren teilnehmen können, wurde auch in G 1/13 bestätigt (ABl. 2015, A42).