1. Berechnung, Bestimmung und Verlängerung von Fristen
In der Entscheidung J 14/86 (ABl. 1988, 85) stellte die Juristische Beschwerdekammer fest, dass in R. 83 (2) EPÜ 1973 (R. 131 (2) EPÜ) der Beginn für alle Fristen als der Tag definiert sei, der auf das fristauslösende Ereignis folge; dies dürfe jedoch nicht dahin gehend ausgelegt werden, dass zu den in Wochen, Monaten oder Jahren ausgedrückten Fristen ein Tag hinzugefügt, d. h. aus Billigkeitsgründen ein zusätzlicher Tag gewährt werden müsse. Der Zeitpunkt des Ablaufs von Fristen, die in Wochen, Monaten oder Jahren ausgedrückt seien, ergebe sich aus R. 83 (3) bis (5) EPÜ 1973 (R. 131 (3) bis (5) EPÜ). Darin werde in Verbindung mit Absatz 2 eindeutig festgelegt, dass die Fristen nach vollen Wochen, Monaten oder Jahren berechnet werden und nicht verkürzt oder verlängert werden dürfen (s. auch J 9/82, ABl. 1983, 57).
In der Entscheidung J 13/88 zeigte die Juristische Beschwerdekammer, wie die Prioritätsfrist von 12 Monaten in Art. 87 EPÜ zu berechnen ist. Das Ereignis, aufgrund dessen der Fristbeginn festgelegt wird, ist der Anmeldetag der Anmeldung, deren Priorität in Anspruch genommen wird; im vorliegenden Fall war dies der 5. Mai 1986. Die Frist endete in dem maßgeblichen folgenden Monat, an dem Tag, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem das Ereignis eingetreten ist, also am 5. Mai 1987 (R. 131 (2) und (4) EPÜ).
T 2056/08 betrifft die Berechnung der Frist für die Einlegung einer Beschwerde in Verbindung mit einer Zehntagesfrist für die Zustellung durch die Post. Die Kammer stellte fest, dass die in Art. 108 EPÜ vorgesehene Frist von zwei Monaten ab dem Tag der mutmaßlichen oder tatsächlichen Zustellung läuft. Wenn eine Faustregel zur Berechnung der Beschwerdefrist vorgeschlagen werden könne, so solle diese "zehn Tage plus zwei Monate" lauten und nicht "zwei Monate plus zehn Tage".
R 18/10 betraf die Berechnung der Zweimonatsfrist gemäß Art. 112a (4) EPÜ. Die zugehörige Entscheidung war am 31. August 2010 zur Post gegeben worden, die tatsächliche Zustellung erfolgte am 6. September 2010. Besteht die Verfahrenshandlung in einer Zustellung, so ist nach R. 131 (2) EPÜ das maßgebliche Ereignis der Zugang des zugestellten Schriftstücks, sofern nichts anderes bestimmt ist. Bei der Zustellung mittels eingeschriebenen Briefs gilt dieser nach R. 126 (2) EPÜ mit dem zehnten Tag nach der Abgabe zur Post als zugestellt. Unabhängig davon, dass die tatsächliche Zustellung am 6. September 2010 erfolgte, endete die Frist deshalb nach R. 126 (2) EPÜ am 10. November 2010.
Ausführungen zum fristauslösenden Ereignis bei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand finden sich in Kapitel III.E.4.1.1 "Frist von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses"; zum fristauslösenden Ereignis "Zustellung" s. Kapitel III.S.; zur maßgeblichen Anknüpfung der Berechnung der Frist nach Art. 78 (2) EPÜ 1973 (R. 38 EPÜ) s. J 13/04.