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Wolfgang Tillmans (DE), Paper Drop

Paper Drop (Roma), 2007
C-Print
51 x 61 cm
Paper Drop (Shadow), 2007
C-print
51 x 61 cm


Schreiben auf Papier ist eine alte Kulturtechnik, die mit der Erfindung des Buchdrucks im 15. Jahrhundert neuen Auftrieb erhielt und auf diese Weise auch zur Ausbreitung der Alphabetisierung beitrug. Das frühere Patentakten-Archiv, in dem wir uns hier befinden, legt Zeugnis ab für das technische Know-how der letzten Jahrzehnte, das bis Ende des 20. Jahrhunderts noch in Papierform aufbewahrt wurde. Auch wenn die Digitalisierung der Beziehung zwischen physischen Dokumenten und virtuellen Realitäten dauerhaft eine neue Gestalt verliehen hat, ist und bleibt Papier das Arbeitsmedium zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler. Die Überlegungen zu und die Transformation von Papier als künstlerisches Medium kann auch als Teil der Bewusstseinsbildung für die Bedeutung von Informationsträgern in einer digitalen Welt verstanden werden.

Wolfgang Tillmans hinterfragt unsere Denkweisen und Gefühlswelten im Hinblick auf die Fotografie als künstlerisches Medium: Ihn fasziniert die Materialität seiner Bilder als erzeugte Objekte. Eine ähnliche Faszination übt auch das Papier auf ihn auf – für ihn weit mehr als ein Trägermaterial, auf das er seine Fotos druckt. Das spiegelt sich auch in seiner Serie "Paper Drops" wider, an der Tillmans bereits seit 2001 arbeitet: Jedes der Bilder zeigt ein Blatt Papier, das sich biegt, Schatten wirft und tropfenartige Hohlräume erzeugt. Diese präzisen und minimalistischen Kompositionen entwickeln eine eigene, abstrakte räumliche Tiefe. Die Unergründlichkeit einer jeden Darstellung liegt in ihrem Charakter als poetisches Stillleben begründet. Der Blick wird auf die Perfektion der skulpturalen Form gelenkt sowie auf das nuancenreiche Schattenspiel, das sich im Wechselspiel aus Bildlichkeit und Abstraktheit ergibt.

Wolfgang Tillmans gehört zu den wichtigsten Fotokünstlern der Gegenwart. Sein Werk reicht von persönlich-dokumentarischen Aufnahmen bis hin zu abstrakten Bildern. Fotoabzüge, Fotokopien und andere Verfahren des Fotografischen verwendet Tillmans ebenso für seine Arbeiten wie beliebige Fundstücke, die er im Stil der Collage-Technik zueinander arrangiert. In seiner fast vier Jahrzehnte umspannenden Laufbahn hat er immer wieder neue Maßstäbe bei den Genres der Fotografie, ihren Motiven und Techniken sowie den Strategien für die Ausstellung fotografischer Werke gesetzt. Tillmans absolvierte Anfang der 1990er-Jahre ein Studium am Bournemouth and Poole College of Art and Design in England. Im Jahr 2000 wurde er dann in der Tate Britain in London als erster Fotograf und erster nicht-britischer Künstler mit dem Turner-Preis ausgezeichnet. Von 2003 bis 2009 war er Professor an der Städelschule in Frankfurt. Er ist Mitglied der Akademie der Künste in Berlin und der Royal Academy of Arts in London. Tillmans erhielt 2015 den Hasselblad Foundation International Award in Photography und 2018 den Kaiserring der Stadt Goslar.