https://www.epo.org/de/node/why-do-we-have-patents

Warum ein Patent?

Innovationen können vielerlei Formen annehmen, und Patente sind nur eines von mehreren Instrumenten, mit denen die Politik Innovation fördern kann. Lassen Sie uns einmal die Alternativen betrachten, um besser zu verstehen, warum es Patente gibt.

Erfinder lächelt vor einem Bildschirm, auf dem Informationen über Impfstoffe angezeigt werden
Rino Rappuoli (Italien), Impfstoffe der nächsten Generation gegen
Hirnhautentzündung (Meningitis), Keuchhusten und andere Infektionen
 

Oft haben öffentliche Wettbewerbe die Innovation maßgeblich vorangetrieben. Die erste Uhr mit Federantrieb ging aus einem Wettbewerb hervor, den vor 300 Jahren die britische Admiralität ausschrieb, als sie nach einer zuverlässigen Methode zur Zeitmessung auf Schiffen suchte. Hohe Preisgelder wurden in den Pionierzeiten der Luftfahrt ausgesetzt, um den Traum vom Motorflug Wirklichkeit werden zu lassen. Auch heute noch treiben Preise im Motorsport Entwicklungen in der Automobiltechnologie voran, die sich danach bei normalen Autos durchsetzen. Solche Anreize funktionieren manchmal, aber nicht immer. Eine preisgekrönte Erfindung erfüllt zwar die Kriterien des Wettbewerbs, muss aber dennoch kein Markterfolg sein.  

Auch Regierungen fördern Forscher und Ingenieure mit Zuschüssen, Krediten oder Steuervergünstigungen für Investitionen in Forschung und Entwicklung. Auch dies fördert die erfinderische Tätigkeit, garantiert aber nicht, dass das Endergebnis wirtschaftlich rentabel wäre.

Unternehmen können hingegen aus reinem Gewinnstreben innovativ sein, und um einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Konkurrenz zu erlangen. Die Konkurrenten sind nur dann daran interessiert, ihre Innovationen zu kopieren, wenn sie dadurch Marktanteile gewinnen. Hier liegt jedoch ein weiteres Problem. Wenn eine neue Technologie teuer in der Entwicklung, aber leicht zu kopieren und schwer zu schützen ist, gibt es keinen Anreiz zur Innovation. Umgekehrt gilt: wenn eine niedrige Hürde gegen Nachahmung Unternehmen nicht daran hindert, Neues auszuprobieren (als "Erstanbietervorteil" bekannt), sieht die Politik keinen Anlass, mit Patenten in den Markt einzugreifen. Das erklärt, warum reine Geschäftsmethoden vom Patentschutz ausgeschlossen sind.
 

Erfinder untersucht ein medizinisches Bildgebungsgerät
James G. Fujimoto (USA), medizinische Bildgebung mittels
optischer Kohärenztomografie (OCT)
 

Einige Unternehmen nutzen Geschäftsgeheimnisse, um ihre einzigartige Technologie zu schützen. Wenn es sich bei der Technologie um einen Prozess und nicht um ein Produkt handelt, können sie dieses Geheimnis jahrelang bewahren. Vor vielen Jahrhunderten war Geheimhaltung die einzige Möglichkeit, einen Wettbewerbsvorteil für neue Erfindungen zu halten. Die mittelalterlichen Handwerksgilden wachten streng über Herstellungstechniken, Rezepturen und Quellen seltener Rohstoffe; jedes Mitglied, das diese Geheimnisse enthüllte, riskierte den Ausschluss aus seiner Gilde. Das Problem war, dass die Auswanderung oder der Tod eines Handwerkers zum Verlust unersetzlichen Wissens führen konnte!

Aus diesem Grund bat der Senat von Venedig seine erfahrenen Glashersteller, ihr Wissen durch die Ausbildung von Lehrlingen zu teilen, anstatt damit ins Ausland zu gehen oder ihre Geheimnisse mit ins Grab zu nehmen. Die Glasbläser waren verständlicherweise zurückhaltend, weil sie die Konkurrenz der jüngeren Generation fürchteten. So bot ihnen der Senat einen zeitlich begrenzten Schutz vor der Konkurrenz im Austausch für die Weitergabe ihres Wissens an.

Dies war die Geburtsstunde des Patentsystems, wie wir es heute kennen. Erfinder veröffentlichten ihre technischen Geheimnisse als Gegenleistung für ein kurzzeitiges Ausschlussrecht auf ihre neue Technologie.  

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Patentsystem Innovationen in dreierlei Hinsicht fördert, wie es keine der Alternativen leisten kann. Es fördert: 

  1. Wissensaustausch: Unsere öffentliche Patentdatenbank Espacenet enthält mehr als 150 Millionen Patentdokumente aus über 100 Ländern. All diese Informationen sind kostenlos und können als Sprungbrett zu neuen Erfindungen genutzt werden. Die Datenbank enthält nicht nur erteilte Patente, sondern auch alle Patentanmeldungen. Das heißt, sie eröffnet Zugang zu jeder Idee, die jemals zum Patent angemeldet wurde, sei es mit Erfolg oder nicht. 

  2. Investitionen in F&E: Aufgrund der Zusage des Staates, Erfinderrechte zu verteidigen (durch die Bereitstellung des Rechtsrahmens und die Justiz) trauen sich Innovatoren, in Forschung und Entwicklung zu investieren. Dadurch können Innovatoren Investitionen einwerben, Lizenzeinnahmen erzielen und sich Marktanteile sichern. 

  3. Relevanter technischer Fortschritt: Die Verpflichtung, Jahresgebühren für die Aufrechterhaltung der Patente – in jährlich steigender Höhe – zu zahlen, bedeutet, dass Patente nur für Technologien aufrechterhalten werden, die einen Marktwert haben und weiterhin Erlöse bringen. Patente auf redundante Technologien erlöschen, und die Technologie kann dann von allen uneingeschränkt genutzt werden. Nur sehr wenige Patente werden bis zum 20. und letzten Jahr aufrechterhalten. Und weil Patente letztendlich auslaufen und nicht für immer verlängert werden können, kann sich auch ein Erfinder nicht zurücklehnen, sondern muss innovativ bleiben. 

Jahresgebühren spielen noch eine zusätzliche Rolle im Patentsystem: die Einnahmen kompensieren die Vorabkosten. Damit die Kosten für Erfindungen in ihrem Anfangsstadium niedrig gehalten werden, legt das Europäische Patentamt nicht die gesamten Kosten für die Recherche und Prüfung von Patenten über Gebühren auf die Anmelder um. Diese Lücke wird durch die Jahresgebühren für die erfolgreichsten Erfindungen geschlossen, die auch die gesamten Personalkosten und Gemeinkosten des EPA decken und de facto das Anmelden von Patenten für alle subventionieren. Mit anderen Worten: diejenigen, die bereits am meisten vom Patentsystem profitieren, decken teilweise die Patentkosten für die nächste Generation von Erfindungen.