3.1. Bindung an die Anträge – Verbot der "reformatio in peius"
In T 598/99 führte die Kammer aus, dass das Verbot der reformatio in peius angewandt wird, um zu verhindern, dass ein alleiniger Beschwerdeführer schlechtergestellt wird als ohne die Beschwerde. Wo der Patentinhaber alleiniger Beschwerdeführer ist, kann das Verschlechterungsverbot den Beschwerdegegner (Einsprechenden) nicht davor bewahren, schlechtergestellt zu werden als ohne die Beschwerde (G 9/92 date: 1994-07-14, ABl. 1994, 875 und G 4/93, ABl. 1994, 875). Wenn ein Patentinhaber als alleiniger Beschwerdeführer den Widerruf seines Patents erfolgreich anficht, ist der Einsprechende nämlich stets schlechtergestellt als ohne die Beschwerde. Die Tatsache, dass der Einsprechende nicht berechtigt war, gegen die Entscheidung auf Widerruf des Patents Beschwerde einzulegen, war in dieser Hinsicht ohne Belang.
Schon in T 856/92 befand die Kammer in Anwendung der in G 9/92 date: 1994-07-14 und G 4/93 (ABl. 1994, 875) dargelegten Grundsätze, dass in einem Fall, in dem der Patentinhaber und alleinige Beschwerdeführer nur einige der in der Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung für zulässig erachteten Ansprüche anfechte, weder die Beschwerdekammer noch der Einsprechende die vom Beschwerdeführer nicht angefochtenen Ansprüche in Frage stellen könne.
Wenn der Patentinhaber alleiniger Beschwerdeführer ist, kann die Kammer gegen das Patent in der von der Einspruchsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung aufrechterhaltenen Fassung weder auf Antrag des Beschwerdegegners (Einsprechenden) noch von Amts wegen Einwände erheben (s. G 1/99, ABl. 2001, 381; s. auch T 1689/12, T 822/16).
In T 1626/11 waren die Ansprüche 1 bis 10 des Hauptantrags wortgleich mit den Ansprüchen 1 bis 10 des 2. Hilfsantrags, der von der Einspruchsabteilung als den Erfordernissen des EPÜ genügend angesehen wurde. Es stellte sich die Frage, ob diese Ansprüche von der Beschwerdekammer geprüft werden konnten, ohne das Verschlechterungsverbot zu verletzen. Die Kammer verwies auf die Entscheidungen T 856/92 sowie T 149/02, die zu dem Schluss kamen, dass dann, wenn der Patentinhaber alleiniger Beschwerdeführer ist, der gesamte Anspruchssatz, der von der Einspruchsabteilung als EPÜ-konform angesehen worden war, nicht mehr von der Beschwerdekammer geprüft werden kann, wenn er Teil eines anderen Anspruchssatzes ist, der zusätzliche (nebengeordnete) Ansprüche enthält, sofern die zusätzlichen Ansprüche das Verständnis der Ansprüche nicht verändern. Diese auf G 9/92 date: 1994-07-14 gestützte Schlussfolgerung wurde auch in T 168/04, T 1713/08, T 722/10 sowie T 428/12 befolgt.
In T 659/07 stellte die Kammer fest, dass, bei einem Patentinhaber als alleiniger Beschwerdeführer die Kammer gegen das Patent in der Fassung, in der es von der Einspruchsabteilung in ihren Zwischenentscheidungen aufrechterhalten worden sei, weder auf Antrag des Beschwerdegegners (Einsprechenden) noch von Amts wegen einen Einwand erheben könne, auch dann nicht, wenn das Patent in der aufrechterhaltenen Fassung ansonsten widerrufen werden müsste, weil Anspruch 1 in der erteilten und in der aufrechterhaltenen Fassung ein Merkmal enthält, das unter Verstoß gegen Art. 123 (2) EPÜ 1973 Gegenstände hinzufügt.