5.2. Unterscheidende Merkmale
In T 114/86 (ABl. 1987, 485) entschied die Kammer, dass eine andere Formulierung allein nicht zur Begründung der Neuheit genüge (vgl. T 12/81, ABl. 1982, 296; T 198/84, ABl. 1985, 209; T 248/85, ABl. 1986, 261). In T 565/90 machte der Beschwerdeführer geltend, dass nur bevorzugte Bereiche oder Beispiele als neuheitsschädliche Offenbarung zu betrachten seien, während generische die spezifische Lehre des Streitpatents nicht vorwegnehmen könnten. Die Kammer folgte dieser Auffassung nicht und bestätigte die frühere Rechtsprechung, wonach eine allein dem Wortlaut nach unterschiedliche Erfindungsdefinition nicht ausreiche, um die Neuheit zu begründen. Vielmehr sei festzustellen, ob der Stand der Technik dem Fachmann den Erfindungsgegenstand in Form einer technischen Lehre zugänglich mache.
In T 917/94 befand die Kammer, dass die Aufnahme eines technischen Merkmals, das überflüssig ist, weil es den beanspruchten Gegenstand nicht verändert, einem bekannten Gegenstand keine Neuheit verleiht.
In T 826/94 wurde festgestellt, dass ein beanspruchtes Messgerät, das alle Konstruktionsmerkmale eines bekannten Messgeräts aufweist und sich davon nur durch die Bezeichnung, d. h. in diesem Fall durch die Angabe dessen, was gemessen wird, unterscheidet, als neu anzusehen ist, wenn zu der Schlussfolgerung, dass beide Messgeräte zur selben Gattung gehören, die Grundprinzipien der beiden Messgeräte in der Theorie miteinander verglichen werden müssen.
In T 452/05 war die Kammer der Auffassung, dass ein spezieller Begriff von einem Oberbegriff grundsätzlich nicht vorweggenommen wird. In T 870/95 wurde jedoch eine Ausnahme für den Fall gemacht, dass nachgewiesen wird, dass der Oberbegriff unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens nur in der Bedeutung des spezielleren Begriffs verstanden werden kann. Da dies nicht der Fall war, entschied die Kammer, dass der spezielle Begriff ("Filterpapier") durch den Oberbegriff ("wasserdurchlässige Membran") nicht vorweggenommen wurde.
In T 79/96 waren im Auszug eines Handbuchs (D1) alle Merkmale von Anspruch 1 des Streitpatents offenbart, außer der Verwendung eines "Gegenstromgas-/ Schwerkraft-Klassifizierers". In der Neuheitsfrage war somit lediglich zu entscheiden, ob ein vibrierendes Fließbett mit einem durch die Partikelschicht nach oben gerichteten Gasstrom, wie in D1 beschrieben, als Gegenstromgas-/Schwerkraft-Klassifizierer anzusehen war. Die Definition eines Gegenstromgas-/Schwerkraft-Klassifizierers war in einem weiteren Standardhandbuch über Verfahrenstechnik (D3) enthalten. Der Patentinhaber war der Auffassung, dass die Definition in D3 zu weit gefasst sei und der Fachmann ein Fließbett – einen relativ ineffizienten Klassifizierer – nicht als Gegenstromgas-/Schwerkraft-Klassifizierer ansähe. Dem schloss sich die Kammer nicht an. Sie entschied, dass bei der Beurteilung der Neuheit des beanspruchten Gegenstands einem Begriff, der in einem Anspruch verwendet werde, die breiteste technisch sinnvolle Bedeutung beigemessen werden sollte. Auf dieser Grundlage erfülle jeder Gas-/Schwerkraft-Klassifizierer, auch ein Fließbett, die in Anspruch 1 des Streitpatents enthaltenen Klassifikationsanforderungen. Der Gegenstand sei deshalb gegenüber D1 nicht neu (s. auch T 596/96, T 1126/05, T 452/11, T 2446/12).