2.1. Über den Inhalt der früheren Anmeldung hinausgehender Gegenstand
Overview
Der Wortlaut des Art. 76 (1) EPÜ und der des Art. 123 (2) EPÜ sind einander (in allen drei Sprachen) so ähnlich, dass klar ist, dass in beiden Fällen genau dieselben Grundsätze anzuwenden sind, wenn es zu bestimmen gilt, was über den Inhalt der früheren Anmeldung hinausgeht (G 1/05 date: 2007-06-28, ABl. 2008, 271). Die bloße Tatsache, dass der Wortlaut der französischen Fassung von Art. 76 (1) Satz 2 EPÜ ("éléments") von dem des Art. 123 (2) EPÜ ("objet") abweicht, rechtfertigt keine andere Auslegung (T 276/97). Die Rechtsprechung zu einer Erweiterung des Gegenstands ist in Kapitel II.E.1. zusammengefasst.
Art. 76 (1) und Art. 123 (2) EPÜ verfolgen denselben Zweck, nämlich einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Anmeldern und Patentinhabern einerseits und den Wettbewerbern und sonstigen Dritten andererseits herzustellen. Diesen beiden Vorschriften liegt der Gedanke zugrunde, dass es einem Anmelder nicht gestattet sein darf, seine Position durch Hinzufügung von in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbarten Gegenständen zu verbessern, weil ihm dies zu einem ungerechtfertigten Vorteil verhülfe und der Rechtssicherheit für Dritte abträglich sein könnte, die sich auf den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung verlassen (G 1/93, ABl. 1994, 541; T 873/94, ABl. 1997, 456; T 276/97, T 701/97). Sowohl in Art. 76 (1) EPÜ 1973 als auch in Art. 123 (2) EPÜ 1973 ist der Grundsatz verankert, dass die Rechtssicherheit Dritter vor der Patenterteilung dadurch ausreichend geschützt ist, dass es verboten ist, den Inhalt der Anmeldung durch Änderungen über die ursprüngliche Offenbarung hinaus zu erweitern (T 1387/05).
Da die nach Art. 123 (2) und 76 (1) EPÜ geltenden Erfordernisse dieselben sind, ist es unschädlich, wenn die Prüfungsabteilung, die eine Teilanmeldung zurückweist, weil ihr Gegenstand über den der Stammanmeldung hinausgeht, fälschlicherweise auf Art. 123 (2) EPÜ (statt auf Art. 76 (1) EPÜ) verweist (T 542/94).
- T 795/21
Catchword:
Following the explicit reference in G 2/10 to the applicability of the existing jurisprudence regarding the singling out of compounds or sub-classes of compounds or other so-called intermediate generalisations not specifically mentioned nor implicitly disclosed in the application as filed (see G 2/10, section 4.5.4), the Board understands the notion of "the remaining generic group of compounds differing from the original group only by its smaller size" versus "singling out an hitherto not specifically mentioned sub-class of compounds" and the notion of "mere restriction of the required protection" versus "generating another invention" or "suitable to provide a technical contribution to the originally disclosed subject-matter" as developed in the jurisprudence (see in section Case Law of the Boards of Appeal, supra, section II.E.1.6.3) not as modifications of the "gold standard" for the assessment of amendments in the form of additional or alternative criteria, but rather as considerations which may arise from the application of this standard when assessing amendments by deletion of options from multiple lists and which may affirm the result of such assessment. In particular, the observation that a deletion of options from multiple lists is an amendment suitable to provide a technical contribution to the originally disclosed subject-matter, can be used to support the assessment that this amendment is not in compliance with the "gold standard".
- Sammlung 2023 “Abstracts of decisions”